Wie ist es wohl, ein Jahr in einem anderen Land zu leben und zu arbeiten? Welchen Herausforderungen muss man sich stellen und wie gehen andere damit um? Verändert man sich während diesen Jahres?
Diese und viele andere Fragen stellst du dir vielleicht, wenn du an einen Freiwilligendienst im Ausland denkst. Jeder Einsatz ist einzigartig. Wenn du jedoch neugierig bist, was andere so erlebt haben, findest du hier eine Auswahl von Erfahrungsberichten von Freiwilligen, die in verschiedenen Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und des politischen Nordens ihren Freiwilligendienst gemacht haben.
Aufgrund einer Pandemie aus meinem Zuhause entrissen zu werden. Jeden Tag unwissend, wann der Rückflug gehen wird. Einen Abschied, wie man es sich vorgestellt hatte, gab es nicht. Nur ein schnelles auf wiedersehen und eine herzliche Umarmung. Die letzten 2 Wochen vor meinem Rückflug und der darauffolgende Monat war für mich schrecklich. Trauer, Aggressionen, Unsicherheit, Verletztheit und Unwissen. Ich und bestimmt viele andere Freiwillige haben die Corona Pandemie und die folgenden Regelungen unterschätzt. Mir wurde anfangs berichtet es sei meist gar nicht so schlimm. Wie eine Art Grippe, besonders ältere Leute wären betroffen. Warum soll ich, eine junge Frau ohne Vorerkrankungen, in ein Land reisen, wo viel mehr Coronafälle sind? Warum kann ich nicht einfach hier verweilen, mit meinen Freunden, meiner Familie und Bekannten, warten bis sich die Gesamtsituation beruhigt hat? Ich fühlte mich hier wohl, warum muss ich gehen? Das waren meine Gedanken und Fragen der letzten Wochen vor meinem Rückflug.
Ich wurde schließlich in ein Flugzeug gesetzt und musste mit der ganzen Situation in Deutschland fertig werden. Natürlich war ich nicht alleine.Trotzdem war ich traurig. Ich wollte einfach nicht in Deutschland sein. 4 Monate meines Freiwilligendienstes sind weg. Nur durch Ablenkung und viel Zeit wurde es für mich möglich mit dem Thema klarzukommen.
Trotz allem blicke ich auf eine sehr positive, unvergessliche und aufregende Zeit in Togo zurück. Ich hatte die Möglichkeit für einen gewissen Zeitraum die togolesische oder allgemeiner die westafrikanische Kultur kennenzulernen. Durch meine offene Gastfamilie, die mich von Anfang an in das lokale Leben integrierte, meiner Arbeit an einer Schule mit Kindern, den Austausch mit meinen Kollegen und Kolleginnen und meinen Freunden. Mein täglicher Austausch mit Menschen bat mir mehr und mehr Einblicke in die Gesellschaft. Durch zusätzliche Reisen in die Nachbarländer bekam ich auch kleine Einblicke von Ghana und Benin. Dort bekam ich besonders einen Einblick in die Geschichte Westafrikas, die Sklaverei und die Kolonialzeit.
In der Zeit meines Freiwilligendienstes habe ich mich entwickelt und verändert. Die Zeit hat mich sehr geprägt. Nicht nur mein Französisch, meine Tanz- und Kochkünste. Ich bin erwachsener geworden, habe ein stärkeres Selbstbewusstsein bekommen und ein neues Bewusstsein für den Begriff teilen entwickelt. Durch die Arbeit in meinem Projekt habe ich mehr Geduld, den Umgang mit benachteiligten Kindern erlernt und ganz besonders die Wertschätzung meiner Privilegien und meiner Gesellschaft. Nicht alles als selbstverständlich anzusehen.
Rückblickend und besonders für zukünftige Freiwillige kann ich sagen, dass ICJA tolle Arbeit geleistet hat und weiterhin leistet. Sowohl in der Vorbereitung, als auch in der Nachbereitung war ich immer sehr zufrieden mit der Umsetzungen, den Thematiken und Methoden. Ich habe mich immer wohl gefühlt und wurde in allen Situationen unterstützt. Bei der Bewältigung von Problemen habe ich mich nie alleine gefühlt. Auch in der Coronapandemie war der ICJA, trotz Kurzarbeit, immer erreichbar und ich habe mich durch ständigen Austausch nicht alleine gefühlt. In Togo sowie in Deutschland.
Zu meinem Projekt (ENVOL) möchte ich die zukünftigen Freiwilligen ermutigen, Eigeninitiative zu ergreifen und kreative Unterrichtsgestaltung empfehlen. Die Arbeit mit den Kindern bei Envol hat mir immer Freude bereitet und ich blicke auf eine schöne Zeit zurück.
Ich habe immer noch täglichen Kontakt zu meinen Freunden aus Togo und Ghana. Ich freue mich sie bald weiterzusehen :)
Togo, von August 2019 bis März 2020 (frühzeitige Rückkehr aufgrund der weltweiten Rückholaktion deutscher Staatsbürger*innen wegen der COVID19 Pandemie)
Als ich erfahren habe, dass wir aufgrund der sich verschärfenden Corona Situation unseren Freiwilligendienst abbrechen und nach Hause fliegen müssen war ich vor allem sehr wütend. Die Enttäuschung, Ghana ganze 5 Monate zu früh verlassen zu müssen, war bei uns allen riesengroß. Besonders, da diese Entscheidung für uns wie aus dem Nichts kam.
Als ich dann wieder in Deutschland war, hatte ich zunächst Schwierigkeiten, die Endgültigkeit des Abbruchs zu realisieren. Nach einiger Zeit kam die Traurigkeit darüber. Und nach ungefähr einem Monat habe ich die Lage als unveränderbar akzeptiert und letztlich erkannt, dass die Rückholaktion die eigentlich einzig richtige Entscheidung war und was für ein Glück wir hatten, dass alles so schnell und verhältnismäßig reibungslos funktioniert hat.
Dennoch ist es natürlich schade, dass die schöne Zeit in Ghana vorbei ist. Aber ich bin einfach dankbar für alles, was ich aus diesem Freiwilligendienst mitnehmen konnte, und für die tollen Erfahrungen, die ich machen durfte. Ich bin über die 7 Monate sehr viel selbstständiger geworden und habe erkannt, wie wichtig mir meine Unabhängigkeit ist. Außerdem habe ich viel über den Umgang mit Kindern gelernt, Grenzen zu setzen und sich durchzusetzen.
Mir hat mein Projekt, die John William Montessori School, sehr gut gefallen. Die Schule und vor allem die Kinder sind mir sehr ans Herz gewachsen. Grade zu Beginn mussten ich und meine Mitfreiwilligen jedoch lernen, dass man viel Eigeninitiative zeigen muss. Man hat zwar jede Möglichkeit, neue Sachen auszuprobieren und Ideen umzusetzen, jedoch muss man dafür selber aktiv werden und sich auch seine Aufgaben selber suchen. Und was das angeht, wünschte ich, ich hätte mich mehr eingesetzt. Wir hatten noch einige Projekte mit den Kindern vor, beispielsweise kleinere Renovierungsprojekte, welche aufgrund der verfrühten Rückkehr, leider ausfallen mussten. Hätte ich gewusst, dass wir mur die Hälfte der geplanten Zeit haben, hätte ich solche Sachen früher in Angriff genommen.
Ich hoffe, die Kinder konnten auch davon profitieren, dass wir als Freiwillige an ihrer Schule waren und auch mit ihnen zusammengelebt haben. Vor allem denke ich, ist es schön für sie, den kulturellen Austausch zu haben und eventuell haben sie in uns auch Ansprechpersonen gefunden, die sich Zeit für sie nehmen konnten. Jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass uns Freiwilligen diese Zeit im Projekt sehr viel mehr gebracht hat, allein schon, was die Persönlichkeitsentwicklung angeht.
Durch unsere Wohnsituation zusammen mit den Kindern im Internat, konnten wir ein enges Verhältnis zu den ihnen aufbauen. Außerdem hatten wir das Glück, an unserer Schule zwei gleichaltrige Jungs aus Äquatorial Guinea zu haben, die schon seit 6 Jahren in Ghana leben und uns besonders am Anfang viel bei der Eingewöhnung und Integration geholfen haben. Tatsächlich sind das aber auch die Einzigen, zu welchen ich noch regelmäßigen, wenn auch leider nur oberflächlichen, Kontakt habe. Ansonsten beschränkten sich die meisten Bekanntschaften auf einen oberflächlichen aber sehr freundlichen und offenen Umgang miteinander.
Und genau diese Freundlichkeit und Offenheit habe ich sehr an der ghanaischen Mentalität schätzen gelernt. Denn teilweise fehlen mir diese Eigenschaften in Deutschland. Auch ist mir aufgefallen, dass es in Ghana, anders als in Deutschland, nicht so üblich ist, sich über Dinge zu beschweren, vor allem über Kleinigkeiten. Das und die Erkenntnis, dass die meisten Ghanaer, die ich kennengelernt habe, bei vielem wesentlich gelassener sind als meine deutschen Bekannten, hat bei mir den Eindruck hinterlassen, dass in Deutschland oft die gewisse Grundzufriedenheit fehlt. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass wir in Deutschland im Durchschnitt einen sehr viel höheren Lebensstandard haben.
Alles in allem bin ich sehr dankbar für die wundervolle Zeit, welche ich in Ghana hatte. Ich kann jedem weiterempfehlen, einen Freiwilligendienst im Ausland zu absolvieren, denn ich bin mir sicher, dass dies eine der besten Entscheidungen meines Lebens war!
Ghana, von August 2019 bis März 2020 (frühzeitige Rückkehr aufgrund der weltweiten Rückholaktion deutscher Staatsbürger*innen wegen der COVID19 Pandemie)
Was ich (lieben) gelernt habe und eine kurze Reflexion zum FWD im Ausland
In the beginning there were the words. I, and many others who decided to go abroad to do a voluntary service in the most distant edges of the world, have been briefed very open mindedly about every aspects of intercultural experiences and also been sensitized for all the unconscious believes and values we have been primed with for all of our lives. Of course we didn’t understand, of course we would not realize the depths of the seemingly so simple facts. And hell no, I didn’t see this coming after all this preparation. I thought I was open minded, I thought my believes are as progressive as can be and I though my ideals and ideas would be flawless. I had to learn so much. Our organization the Intercultural Dialog and Exchange was one of the most comfortable places I’ve ever gotten to know. So many young idealists in one place gave me the feeling of “We can change the world”. It was an awesome feeling, with lots of exchanges and discussions. Their guidance was unbelievable. I thank them so much for this experience.
Leider vermisse ich Indien viel mehr als ich es mir eingestehen möchte und bin nach meiner Zeit hier in Deutschland wirklich niedergeschlagen. Ich sehe zurück an die schönen aber auch harten Zeiten in Projekt, auf Reisen und mit meinen Freunden vor Ort. Ich bin im Nachhinein besonders dankbar für die schweren Zeiten. Erlebt zu haben, dass man keinen Anschluss findet weil man anders ist, aber auch, so fremd wie man ist, akzeptiert zu werden war eine kostbare Erfahrung. Komische Situationen mit Humor und Offenheit entgegenzutreten war sehr lehrreich. So konnte ich viele Freunde finden, zu denen ich auch heute noch Kontakt pflege.
Eine meiner größten Erkenntnisse war, dass Meinungen und Ideale so verschieden sein können wie Tag und Nacht. Der viele Austausch mit den Einheimischen, Freunden und Touristen aus aller Welt war sehr erleuchtend. Allerdings fällt es mir schwer meine Erkenntnisse zu konkretisieren und zu formulieren. Fachlich habe ich leider nur sehr wenig gelernt, persönlich bin ich aber dennoch sehr gewachsen. Ich kann mich nicht genug bei allen Beteiligten bedanken.
Meine Unterkunft im Projekt war sehr entgegenkommend. Wir hatte westliche Toiletten, Airconditioning (einen Ventilator), Betten, welche nicht wie bei einem Freund aus Frankreich einfache Strohsäcke auf dem Boden waren und die meiste Zeit Strom und fließend Wasser. Wir haben Unterstützung bekommen, wenn immer wir sie brauchten, z.B. als ich ein Konto eröffnet habe oder einen Mobilfunkvertrag abschloss. Das Einleben wurde uns wirklich leicht gemacht. Über den gesamten ersten Monat durften wir beobachten, wir wurden mit offenen Armen in jeder erdenklichen Situation empfangen und unterstützt. Von dieser Mentalität dürfte sich Deutschland meiner Meinung nach gerne etwas abschneiden.
Während der Bewerbungsphase für den Freiwilligendienst beim ICJA wurden wir alle eingeladen, an einem Info-Tag in Berlin teilzunehmen. Dort habe ich erste Freundschaften schließen können und äußerst interessante Informationen und Eindrücke erfahren. In den Gesprächen wurde schnell klar, dass sich ein Jeder jederzeit an den ICJA wenden kann, wenn er Fragen oder Probleme hat. Nachdem klar war dass ich definitiv ein FWD im Ausland antreten werde wurden wir ein 2tes mal versammelt. Das einwöchige Seminar war äußerst gut Strukturiert, sehr Informativ und Abwechslungsreich. Die Teamleiter waren wirklich hervorragend im Anleiten, in persönlichen und Gruppengesprächen. Die vielen Einheiten über Rassismus, Sexismus, aber auch Sicherheit, Versicherungen, und medizinischer Vor- und Nachsorge haben alle Fragen beantworten können. Laufender Kontakt zur Administration und unseren Mentoren hat auch die vielen Informationen verträglich gemacht. Ich hatte immer das Gefühl in Krisensituationen Unterstützung bekommen zu können. Zum Thema Gesundheit wäre vielleicht noch Interessant gewesen den typischen Kleidungsstiel im Gastland zu erörtern (Hitzestress) und die vor Ort übliche Ernährungsweise.
In Indien hatten wir durchaus die Möglichkeit uns mit der Partnerorganisation auszutauschen und waren auch angehalten Kontakt zu pflegen. Auch hier fühlte ich mich gut aufgehoben und kompetent und mitfühlsam beraten. Die Seminare vor Ort waren anders, lockerer und leichter mit einem hauch Spontanität, einfach authentisch.
Im Projekt haben ich und mein Mitbewohner uns dafür entschlossen zu unterrichten. Eine Mammutaufgabe! Die Herangehensweise im Indischen Bildungssystem ist grundlegend anders. Die Mentalität und der Unterrichtsstoff waren mir selbst etwas befremdlich. Unsere Kollegen haben uns aber immer gut unterstützt und offen kommuniziert, Kritik mitgeteilt und waren auch auf persönlicher Ebene immer sehr umgänglich.
Was habe ich Entwicklungspolitisch gelernt?
Eine ganze menge! Leider sind die Zusammenhänge zu komplex, um einfache Antworten zu geben. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu weit ausschweifen. Wir haben viel Theoretisches und Geschichtliches gelernt. Die Leute vor Ort zu ihren Meinungen zu befragen war dadurch umso interessanter. Viele Inder sind noch immer verärgert über die langwierige Unterdrückung durch England. Die Hindunationalisten fordern noch immer mehr Gerechtigkeit. Wir leben in einer Zeit des Post-Kolonialismus, die Wunden der Vergangenheit sind noch lange nicht geheilt und wir sollten uns für eine gerechtere Welt einsetzten. Klimagerechtigkeit ist eines der für mich persönlichen schwierigsten und interessantesten Themen. Es kann nicht sein, dass die Leute die am wenigsten zum Klimawandel beitragen die größten Schäden davon tragen. Diese Menschen verdienen unsere Unterstützung weil wir ihre Probleme verursachen.
Zusammenfassend will ich sagen, dass ich unglaublich dankbar bin diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es hätte viel schlimmer sein können, z.B. durch schlechte Vor- und Nachbereitung. Diese Welt etwas besser zu verstehen, zu sehen wie unterschiedliche Kulturen zusammenkommen und Hand in Hand daran arbeiten diese Welt zu einem schöneren Ort zu machen, sich für Gleichberechtigung, Mitgefühl und Verständnis und kulturellen Austausch einzusetzen ist ein unglaubliches Privileg. Ich würde es jederzeit wieder tun. Ich danke allen Beteiligten von ganzem Herzen.
Indien, von Sommer 2019 bis März 2021
Seit ich am 27. März Bolivien verlassen musste, bin ich entgegen aller Planungen wieder Zuhause bei meinen Eltern eingezogen. Ich bedauere es sehr, dass ich meinen Freiwilligendienst vorzeitig beenden und nach Deutschland zurückkehren musste. Vor allem fand ich es sehr traurig, dass ich mich durch die strengen Quarantäneregelungen bzw. die Ausgangssperre in Bolivien von niemandem persönlich verabschieden konnte. Anfangs war es etwas schwierig, wieder zurück zu sein, aber durch die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde habe ich mich schnell wieder zu Hause eingelebt. Seit zwei Monaten arbeite ich als Kassiererin in einem Supermarkt und habe somit wieder einen strukturierten Tagesablauf. Nächste Woche darf mich mein bolivianischer Freund endlich besuchen - darauf freue ich mich schon sehr!
Bolivien ist ein wirklich faszinierendes und wunderschönes Land, das viel zu bieten hat. Mir kommt es so vor, als würde Bolivien in den internationalen Medien viel rückschrittlicher bzw. unterentwickelter dargestellt als es wirklich ist. Beispielsweise hat mich anfangs überrascht, dass es in Bolivien wirklich alles zu kaufen gibt, man überall Internet hat (teilweise besseres als in Deutschland) und man fast alle Freizeitoptionen wie bei uns realisieren kann. Es gibt viele gute Ideen und Potential, sowohl in der Industrie als auch in der Tourismusbranche. Bolivien braucht ein besseres Marketing!
Ich wusste bereits, dass in Bolivien die Inka lebten, war aber sehr überrascht von den zahlreichen faszinierenden Ruinen und Geschichten der Inkastädte und habe bereits Incallajta, Inca Rakay und die Collcas de Cotapachi besucht. Diese Orte haben mich wirklich fasziniert und mir ist bewusst geworden, dass Bolivien sich viel besser vermarkten muss und viel spannende und abwechslungsreiche Kultur zu bieten hat. Neben der Inkakultur hat Bolivien noch so viel mehr aufzuweisen, beispielsweise die zahlreichen noch existierenden indigenen Kulturen, wie die Quechua, Aymara, Guaraní, Chiquitano und unzählige weitere. Außerdem bin ich von der Schönheit und Vielseitigkeit der Natur extrem beeindruckt! Es gibt Berge, Regenwald, Strand am Titicacasee, Wüste in Santa Cruz, Wasserfälle, Flüsse, Steppe, Seen und natürlich die Salzwüste Salar de Uyuni. Außerdem habe ich festgestellt, dass es zwar eine große Spaltung zwischen arm und reich gibt, es aber doch eine beachtliche Mittelschicht gibt. Darüber hinaus verstehe ich jetzt, warum die Landbevölkerung verstärkt für Evo Morales gestimmt hat und was für große Unterschiede es insgesamt zwischen der Stadt- und Landbevölkerung gibt. Generell habe ich mehr Verständnis für die politische Situation in Bolivien, weil ich mich intensiv mit meiner Gastfamilie und mit meinen Freunden darüber ausgetauscht habe und regelmäßig Nachrichten gesehen und gelesen habe.
Auf fachlicher Ebene habe ich gelernt, wie man Unterricht gestalten kann und wie Montessori-Schulen funktionieren. Ebenfalls konnte ich meine allgemeinen Organisationsfähigkeiten nutzen und weiter ausbauen durch die Planung eigener kleiner Projekte. Außerdem habe ich viel über Kinder (mit und ohne Behinderung), ihr Verhalten und den Umgang mit ihnen gelernt. Ich weitete meine spanischen Kommunikationsfähigkeiten durch Gespräche mit Kollegen, Freunden und meiner Gastfamilie weiter aus und lernte viel über interkulturelle Unterschiede und Kommunikation. Darüber hinaus lernte ich mich selbst besser kennen und stellte unter anderem fest, wie viel Energie ich haben kann, wenn etwas mir Spaß macht – in den Projekten und beim Sport. In beiden Projekten konnte ich mich schnell integrieren und wurde herzlich aufgenommen. In der Schule habe ich vor allem zur individuelleren Förderung zweier Kinder mit Behinderung beigetragen und zum Aufbau bzw. zur Vertiefung der Englischkenntnisse meiner Schüler. In der Nachmittagsbetreuung habe ich jede Woche das Gleiche gemacht: erst Hausaufgabenbetreuung gemeinsam mit anderen Freiwilligen und Praktikanten, dann meinen selbstinitiierten Computerkurs, in dem die Kinder Grundlagen von Word und PowerPoint lernten. Insgesamt kann ich sagen, dass diese Konstellation mir und meinen Projekten gleichermaßen förderlich war und wir gegenseitig voneinander lernen durften.
Ich wohnte bei einer Gastfamilie, die aus einer Mutter, einer Oma und einer 22-jährigen Tochter bestand. Insgesamt war ich sehr zufrieden mit meiner Gastfamilie, da wir uns gut verstanden haben und wir uns viel über politische und gesellschaftliche Themen austauschten. Wir hatten natürlich manchmal kleinere Meinungsverschiedenheiten durch unsere unterschiedlichen Kulturen und sozialen Hintergründe und es war für mich eine große Umstellung, mich an eine neue Familie und deren Angewohnheiten und Regeln anpassen zu müssen, nachdem ich vorher schon drei Jahre alleine gewohnt hatte. Zu meiner Gastschwester hatte ich nur ein sehr oberflächliches Verhältnis, da sie andere Interessen hatte. Dies war aber kein Problem, da ich schnell andere Freunde gefunden habe.
Allgemein war ich mit der Betreuung durch das Partnerkomitee und den ICJA sehr zufrieden, ich bekam auf Fragen schnell eine Antwort und die Mitarbeiter waren hilfsbereit und freundlich. In der Corona-Krise wurden wir vor allem durch Johanna sehr gut betreut, sie verfasste aussagekräftige Infomails, auch an unsere Eltern. Insgesamt war das Team jederzeit ansprechbar und hat alles in seinen Kräften Stehende getan, um die schwierige Situation so gut wie möglich zu meistern. Mit dem Partnerkomitee war ich ebenfalls sehr zufrieden, es gab Mitarbeiter vom ICYE in jeder Stadt, die auf Fragen schnell antworteten Antworten und zu denen ich ein gutes Verhältnis entwickeln konnte. Bei den Seminaren herrschte stets eine sehr gute Atmosphäre. Anfangs hatte ich kaum Verständnis für die Rückholung, da es zu dem Zeitpunkt in Bolivien kaum Infizierte gab. Im Nachhinein war es okay, da ich in Bolivien nicht viel hätte unternehmen können und Schule noch immer nur virtuell stattfindet und es weiterhin Ausgangssperren gibt. Wie schon erwähnt finde ich es sehr schade, dass ich mich nicht persönlich verabschieden konnte.
Aus meinem Freiwilligendienst kann ich beispielsweise mitnehmen, wie man mit Kindern mit Behinderung umgeht, wie wichtig Inklusion ist und wie viel gerade diese Kinder einem zurückgeben, beispielsweise mit einer Umarmung, einer Geste oder einem Lächeln. Darüber hinaus habe ich gelernt, gelassener und weniger perfektionistisch in verschiedenen Situationen zu denken und zu handeln. Ich bin offener für Neues geworden und habe mich oft getraut „ins kalte Wasser zu springen“, was sich im Nachhinein als richtige Entscheidung herausgestellt hat. Außerdem habe ich viele wundervolle Personen kennengelernt, mit denen ich auf jeden Fall Kontakt halten möchte.
Bolivien, von August 2019 bis März 2020 (frühzeitige Rückkehr aufgrund der weltweiten Rückholaktion deutscher Staatsbürger*innen wegen der COVID19 Pandemie)
Ich bin jetzt seit c.a. 3 Monaten wieder in Deutschland und manchmal kann ich immer noch nicht glauben, dass ich wirklich wieder hier bin und nicht mehr in Mexiko. Ich will mich nicht darüber aufregen, niemand kann etwas dafür. Aber ich hätte eben eigentlich noch 5 Monate mehr gehabt, um dieses faszinierende Land besser kennenzulernen. Als ich die Nachricht bekommen habe, dass alle Freiwilligen zurück müssen, ohne wenn und aber, habe ich einen Tag lang mit Ricardo, meinem besten Freund und Antonia, meiner besten Freundin, nur geweint. Mein Vater hatte mich kurz vorher besucht und war fast genauso traurig wie ich darüber, dass ich zurück musste.
Ich bin trotzdem gut wieder in Deutschland angekommen. Ich hab Berlin ja auch vermisst. Es war schön alle meine Freunde und meine Familie wiederzusehen und ihnen von meiner Zeit in Mexiko berichten zu können. Ich bin mit großen Erwartungen am 20. August 2019 in Mexiko angekommen und wurde wunderbar empfangen. Ich habe einen Tag bei einem freiwilligen Mitarbeiter von SIIJUVE gewohnt und habe gleich am ersten Abend fünf sehr freundliche Menschen kennengelernt, die mir auch in der restlichen Zeit viele tolle Dinge gezeigt haben. Kurz darauf bin ich mit den anderen deutschen Freiwilligen nach Puebla gefahren. Eine großartige Stadt voller Geschichte und tollen Orten, von denen ich längst noch nicht alle kenne. Mexiko ist ein so buntes und vielfältiges Land, dass man sicher auch nach fünf Jahren noch über vieles staunen kann. Ich vermisse immer noch das Essen, die wunderschöne Sprache und die fantastischen Menschen, die ich kennengelernt habe, auch meine Freundinnen aus meiner WG und wie sie beim Essen alle durcheinander reden. Und meine Arbeit, in der alles strukturiert sein sollte und von den Kinder der Casa del Sol trotzdem immer wieder gut durchgemischt wurde. Ich vermisse aber vor allem die Stimmung von den anderen deutschen Freiwilligen und meinen mexikanischen Freunden, von den Kindern und von meinen Arbeitskollegen.
Aber ich habe mich auch weiterentwickelt in dieser Zeit,- durch schwierige Erfahrungen, und durch lustige und schöne. Ich habe kein einziges Wort Spanisch gesprochen, als ich beladen mit einem riesigen Koffer und einem riesigen Rucksack am Flughafen der Ciudad de Mexico, Mexiko Stadt stand. Das war die erste Herausforderung und diese zu meistern, haben mir vor allem die Kinder in meinem Projekt geholfen. Ich hatte vorher noch nie wirklich mit Kindern gearbeitet und bin so dankbar, dass ich die Chance hatte, in einem so großartigen Projekt zu arbeiten. Meiner Meinung, nach sollte jeder Mensch in seinem Leben eine Weile mit Kindern arbeiten. Ich habe den Kindern zwar versucht einiges beizubringen, aber ich glaube die Wahrheit ist, dass ich wesentlich mehr von ihnen gelernt habe, als sie von mir. Kinder sind einfach die besten Lehrer.
Ich hatte davor nie mit Kindern gearbeitet, aber die Frauen in der Casa del sol haben mir alles geduldig erklärt und geholfen zu verstehen, was besonders wichtig ist bei der Arbeit mit Kindern. Ich war die ersten drei Monate bei den Babys, was sehr angenehm war, weil unsere Sprachkenntnisse auf dem ungefähr gleichen Level waren. Dort habe ich vor allem Windeln gewechselt, die Babys gefüttert, viel gesungen und getanzt um sie zu unterhalten, ihre Kleidung gewechselt, sie im Kinderwagen hin und her und wieder hin geschoben, Lernspiele gespielt und aufgepasst das sie nichts verschlucken. Generell habe ich versucht, die Festangestellten in allem so gut wie möglich zu unterstützen. In den nächsten drei Monaten habe ich mit den „Maternales“ gearbeitet, den Kindern zwischen 2 und 5 Jahren. Dort war es schon wesentlich chaotischer, meine Hauptaufgabe war im wesentlichen zu schauen, dass alles einigermaßen nach Plan läuft.
Meine Aufgabe war es morgens mit den Kindern in den Kindergarten zu fahren (in einem Van der Casa del Sol alle Kinder so gut es geht übereinander stapeln) und sie am Nachmittag wieder abzuholen. Streit schlichten, trösten und gaaaanz viel spielen. Ich hab noch nie in meinem Leben so viel Sand Kuchen gegessen und dazu Luft Limo getrunken wie in diesen drei Monaten. Wir haben Fußball, Verstecken, Fangen und alles was man sich noch vorstellen kann gespielt. Ich habe vom vielen Kinder werfen, fielen und herumtragen richtige Mama Muskeln bekommen. Abends musste ich die Wäsche und den Müll wegbringen. Die „Baberos“ (Lätzchen) abwaschen und dann die Kinder ins Bett bringen.
Die letzten anderthalb Monate habe ich mit den ältesten der Kindern gearbeitet, also den „Prescolares“ , die Kinder waren zwischen 5 und 9, sind schon in die Schule gegangen und haben alle ohne Pause durcheinander auf mich eingeredet. Das war wahrscheinlich die größte Herausforderung. Denn obwohl ich in sechs Monaten einigermaßen gut spanisch gelernt hatte, ist es sehr schwierig, Autorität auszustrahlen, wenn man eine Sprache nicht wirklich beherrscht. Dort habe ich die Kinder beaufsichtigt mit ihnen gebastelt, ihnen beim duschen geholfen und sie ins Bett gebracht. Auch wenn es wirklich schwer war die Kinder dazu zu bewegen, dass zu tun was eben getan werden musste, haben wir uns ganz gut arrangiert. Das allerschwerste war eigentlich die fantastischen Ideen der Kinder abzulehnen. -Pizza zum Frühstück, Kuchen nicht nur zum Geburtstag, vielleicht mal nicht mit Besteck zu essen, sondern mit Händen und Gesicht, eine Wasserschlacht in der Dusche zu machen und so vieles mehr. Die Kinder in der Casa del Sol sind mir so sehr ans Herz gewachsen, dass der Abschied von ihnen mir auf jeden Fall am schwersten gefallen ist. Und ich denke immer noch wahnsinnig oft an die tolle Zeit die wir zusammen hatten. Ich meine, dass das Konzept der Casa del Sol wirklich gut ist und völlig auf das Wohlbefinden der Kinder ausgerichtet ist. Es gibt neben den 7 Freiwilligen, die in der Casa del Sol gewohnt haben, noch viele Freiwillige aus Puebla, die immer ein oder zweimal die Woche für ein paar Stunden kommen. Es gibt in jeder Altersgruppe zwei Festangestellte, die dafür sorgen, dass all das passiert was passieren muss und auf die sogar frechsten Kinder hören. Die Kurzzeit Freiwilligen sind vor allem dafür da, um mit den Kindern zu spielen und sie zu unterhalten und wir waren da, um den Festangestellten einige eher lästige Arbeiten abzunehmen. Dazu gehörten Tisch decken, abwaschen, Kleidung zusammen legen und viele andere Arbeiten, die Tag für Tag anfallen. In meiner WG habe ich mich von Anfang an wohlgefühlt.
Wir waren außer mir drei Deutsche: Marianna, Anna und Julia; und drei Mexikanerinnen: Daphne, Sofi und Paloma. Wir haben in einem kleinen Häuschen auf dem Gelände der Casa del Sol gewohnt, eine Küche, zwei Bäder, ein vier- und ein drei-Bett Zimmer und eine wunderschöne kleine Terrasse. Es war wirklich nicht besonders viel Platz und sieben Menschen sind nicht wenig, aber nach einiger Zeit hatten wir eine gewisse Routine beim putzen und Küche aufräumen. In der Wg haben wir hauptsächlich spanisch gesprochen und ab und zu auf Englisch. Meinen besten Freund habe ich relativ am Anfang kennengelernt, als wir in der Party Gegend in Cholula waren. Ein Ort der meiner Meinung nach ist, wie kein anderer auf der Welt. Dort steht die größte Pyramide der Welt und man hat einen fantastischen Blick auf den wunderschönen Vulkan „El Popocatepetl“, meine große Liebe aus Mexiko.
Außerdem habe ich wirklich tolle Freunde gefunden in Mexiko City. Mit ihnen habe ich auch meinen Geburtstag verbracht, an dem schönen Ort Tolantongo. Dort ist eine Art Naturpark mit Quellen aus dem Mittelpunkt der Erde, dass heißt, da sind warme Flüsse, die sich durch wunderbare Berg und Tal Landschaften schlängeln. Ich hoffe das ich alle diese Menschen wiedersehen werde. Aber auch die Deutschen, mit denen ich in Puebla war, sind mir wirklich ans Herz gewachsen. Sie sind sehr unterschiedlich, aber alle großartige Menschen. Mit meiner besten Freundin Antonia habe ich Mexiko City Erfahrungen gemacht die wirklich filmreif wären und die ich für nichts auf der Welt hergeben würde!
Ich glaube die beste Idee, die ich in Mexiko hatte war mir ein Fahrrad zu kaufen. Das hätte ich allerdings wesentlich früher machen sollen. Ich hatte es eigentlich vom ersten Tag an vor, bin aber ein bisschen davon abgekommen, als ich den Verkehr in Mexiko City und Puebla gesehen habe. Als ich mich dann endlich doch getraut habe, hatte ich, allerdings ohne es zu wissen, nur noch knapp zwei Monate, um die Freiheit zu genießen. Es war trotzdem wunderbar. Ich habe viele Ausflüge zu Hügeln in der Umgebung von Puebla gemacht und habe versucht so nah wie möglich an den Vulkan heran zu kommen. Als mein Vater mich besucht hat, haben wir für ihn ein Fahrrad ausgeliehen und sind in einen andern Ort nah an den Bergen gefahren und haben einen der schönsten Ausflüge meiner gesamten Zeit in Mexiko gemacht. Wir waren nicht ganz, aber fast ganz beim Vulkan.
Noch eine Sache, die ich ein bisschen bereue ist, dass ich mir mein Handy hab
klauen lassen. Das war ein bisschen schwierig. Ohne Google Maps, ohne
Sprachkenntnisse, ohne Internet war ich ab und zu doch ziemlich
aufgeschmissen. Allerdings hätte ich sonst nie den fantastischen Radiosender
92.1 Kick Fm kennengelernt. (mein Ersatz Tastenhandy von Oxxo hatte nämlich
nur Radio).
Alle zunächst schlecht erscheinenden Erfahrungen waren dann die eigentlich wirklich spannenden. Seit ich wieder hier bin, ärgert mich oft die Unzufriedenheit der Leute, -Menschen die nicht zu begreifen scheinen, wie viel Glück sie haben. In Mexiko ist vieles schwerer als in Deutschland. Die Schere zwischen Arm und Reich ist erschreckend. Einerseits gibt es Villen wie Schlösser und andererseits Menschen, die täglich um ihr Überleben kämpfen müssen. In Mexiko gibt es keine Sozialhilfen, keine Rente, Kindergeld oder Hartz 4. Die Leute haben das Gefühl, sich für Politik zu interessieren wäre sinnlos, weil das sowieso nichts ändert. In einigen Teilen von Mexiko City ist es so gefährlich, dass die Polizei nicht dorthin fährt. Durch die Überbevölkerung gibt es viele Arbeitslose Menschen, die sich nicht anders zu helfen wissen, und kriminell werden. Auswirkungen dessen, was Korruption und die extreme Macht, die Geld mit sich bringt. Mexiko hat viele Eigenheiten, die es für manche Menschen sehr schwer macht und dennoch habe ich das Gefühl, dass sie das Leben mit Freude angehen und das Leben genießen. Und diese Dankbarkeit hoffe ich mein Leben lang zu behalten.
„la vida es para gozarla, la vida es para vivirla mejor!“
Mexiko, von August 2019 bis März 2020 (frühzeitige Rückkehr aufgrund der weltweiten Rückholaktion deutscher Staatsbürger*innen wegen der COVID19 Pandemie)
Jetzt bin ich schon seit fast vier Monaten in Deutschland und auch wenn diese Zeit mir gar nicht so lange vorkommt, liegt mein Freiwilligendienst gefühlt doch schon sehr weit hinter mir. Ich beschäftige mich inzwischen schon viel mit meiner Zukunft und vergesse deshalb oft, dass ich eigentlich immer noch dort wäre. Doch wenn es mir dann einfällt, werde ich immer wieder sehr wehmütig und sehnsüchtig nach Vietnam. Ich würde so gern noch mal alle Menschen, die mir in den Monaten so ans Herz gewachsen sind, meine Freunde oder meine Schüler, wiedersehen. Aber dennoch erinnere ich mich auch unfassbar gern an alle meine Erlebnisse zurück oder erzähle anderen davon.
Mein Projekt in Vietnam bestand aus mehreren verschiedenen Bereichen, wo ich Englischunterricht für jüngere Schüler gegeben habe. Hauptsächlich habe ich an einer mir fest zugeteilten Secondary School unterrichtet, doch ab und zu habe ich an anderen ärmeren und ländlicheren Schulen oder im Englischcenter ausgeholfen. Dadurch gab es für die Freiwilligen viele Möglichkeiten sich einzubinden. Die Arbeit mit meinen Schülern hat mir nicht nur Spaß gemacht, sondern ich habe auch viel dadurch gelernt. Ich hatte vorher noch keine Erfahrungen im Unterrichten, doch habe mich dort erstaunlich schnell zurecht gefunden. Obwohl ich sehr viel weniger streng war, als meine vietnamesischen Kollegen, habe ich das Gefühl, dass die Schüler viel von mir lernen konnten und sich auf den Unterricht mit mir gefreut haben. Auch in den Pausen haben sie gern mit mir die Zeit verbracht. Ich musste lernen extrem spontan zu sein, da es mehrmals wöchentlich Änderungen gab. Außerdem habe ich meine eigenen Grenzen besser kennengelernt und gelernt auch Nein sagen zu können, was mir zu Beginn noch sehr viel schwerer fiel.
Ich habe in Lao Cai, einer Kleinstadt an der chinesischen Grenze, mit insgesamt drei anderen deutschen Freiwilligen gewohnt. Während einer in einer Gastfamilie gelebt hat, haben wir drei anderen bei GEL gewohnt. GEL ist ein Center, wo außerhalb der Schulzeiten Englischunterricht gegeben wird. Hier haben wir ab und zu unterrichtet, doch die meiste Zeit wurde dieser Unterricht von anderen ausländischen Lehrern übernommen, die dort auch gewohnt haben. Ich habe mir das Zimmer mit meiner Mitfreiwilligen geteilt, das Badezimmer (mit Waschmaschine und fließend warmen Wasser) und die Küche haben wir uns mit mehreren geteilt. Von meiner Schule habe ich einen Roller gestellt bekommen, mit dem ich zur Arbeit gefahren bin und durch den ich auch sonst immer sehr flexibel war, da man mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Lao Cai nicht weit gekommen ist.
Die Betreuung von ICJA und dem Partnerkomitee VPV habe ich als sehr hilfreich und problemlos wahrgenommen. Wir hatten sowohl in Vietnam, als auch in Deutschland eine Ansprech- und Vertrauensperson, die immer ein offenes Ohr für uns hatte und uns in jeder schwierigen Situation einen guten Rat geben konnte. Die Rückkehr aus Vietnam war sehr schwer, aber nicht besonders überraschend. Da wir so nah an der chinesischen Grenze waren, war Corona schon Anfang Januar sehr präsent. Ab Anfang Februar waren die Schulen geschlossen und bis zu unser Ausreise haben sie auch nicht wieder geöffnet. Wir haben die freie Zeit zum Reisen genutzt, doch als auch das nicht mehr möglich war und soziale Kontakte immer weiter begrenzt wurden, haben wir uns dort auch nicht mehr wohl gefühlt. Dennoch war die letzte Woche vor unserer Abreise belastend und traurig und der Abschied fiel uns allen extrem schwer.
Zuhause angekommen waren diese negativen Gefühle erstmal von all der Freude über das Wiedersehen unterdrückt, doch als diese Freude abebbte und wir so sozial eingeschränkt waren, kamen viele negative Gefühle wieder auf. Doch besonders da hat mir der Kontakt zu meinen Mitfreiwilligen, die meine Situation so gut nachvollziehen konnten, oder zu meinen Freunden, von denen ich mich in Vietnam verabschieden musste, geholfen. Mein Blick im Allgemeinen auf Deutschland hat sich nicht so stark geändert. Mir sind jedoch viele Kleinigkeiten aufgefallen, die ich vorher nicht so wahrgenommen hatte. Zum einen habe ich sehr gelernt das deutsche Bildungs- und Justizsystem zu schätzen zu wissen, zum anderen ist mir aber auch aufgefallen, dass die Familie in Vietnam noch höher gestellt wird als bei uns.
Abschließend kann ich sagen, dass mein Freiwilligendienst für mich eine einzigartige Erfahrung war, an der ich nichts ändern wollen würde. Denn auch wenn es schwierige Situationen und herausfordernde Momente gab, habe ich daraus gelernt und sie haben die Zeit zu einer einmaligen und lehrreichen gemacht. Außerdem haben die positiven Momente eindeutig überwogen und ich erinnere mich immer sehr gern an sie zurück. Dementsprechend rate ich jedem dazu ins Ausland zu gehen und einen Freiwilligendienst zu machen, um seine eigenen einzigartigen, besonderen Erfahrungen zu sammeln.
Vietnam, von Sommer 2019 bis März 2020 (frühzeitige Rückkehr aufgrund der weltweiten Rückholaktion deutscher Staatsbürger*innen wegen der COVID19 Pandemie)
Feel free to change your mind
Ein Jahr ist eine seltsame Zeitspanne.
Wenn ich auf all die Erlebnisse und Erfahrungen zurückblicke, auf all die Bekanntschaften, die ich geschlossen und all die Dinge die ich gelernt habe, dann scheint es mir, als hätte ich viel mehr Zeit in diesem Land verbracht. Ich habe ein Zuhause gefunden, eine Familie und Freunde, die ich nun wieder verlassen muss. Und dieses Leben, dass ich hier geführt habe, in das ich Stück für Stück hineingewachsen bin, bis es sich letztlich wie mein eigenes Leben angefühlt hat, muss ich nun wieder abstreifen. Ein Jahr reicht um sich einzuleben, ein Jahr reicht um sich Zuhause zu fühlen, um einen Einblick zu erlangen, doch es ist vorbei bevor es richtig angefangen hat.
Ich bin nicht bereit dieses Land wieder zu verlassen, ich bin nicht bereit dieses Leben aufzugeben, obwohl es im Grunde schon hinter mir liegt, aber das realisiere ich noch gar nicht.
Ich bin erfüllt von einem Gefühl der Unvollständigkeit, ich bin noch weit davon entfernt gut Kiswahili zu sprechen, ich habe noch so viele Ideen, die ich nun niemals werde umsetzen können und ich konnte wahrscheinlich nur einen sehr oberflächlichen Eindruck von diesem so unvorstellbar vielfältigen Land gewinnen.
Vermutlich ist das eine entscheidende Erkenntnis. Zu begreifen, dass ich nach einem Jahr in Kenya immer noch so wenig von der Kultur und den feinen Zusammenhängen verstehe, zu erleben, dass ich trotz aller Bemühungen immer wieder in Fettnäpfchen trete, zu realisieren, wie anstrengend es ist, zwei völlig verschiedene Leben im Kopf zu haben. Ich habe in diesem Jahr so viel dazu gelernt: über dieses Land, die verschiedenen Volksgruppen, die Gepflogenheiten… und doch ist mein Wissen so unvollkommen. Ich glaube kultureller Austausch hat kein Ende, er ist niemals abgeschlossen und somit immer unvollkommen. Doch mit dem Streben danach einander zu verstehen und besser kennenzulernen wächst Verständnis. Und so hat dieses Jahr hoffentlich nicht nur mein Denken und mein Weltbild verändert, sondern auch Spuren bei den Menschen hinterlassen, mit denen ich Zeit verbracht habe.
Ich bin nicht enttäuscht, dass meine Zeit sich dem Ende zuneigt. Manchmal habe ich das Gefühl ich hätte mehr machen müssen, meine Projektideen doch noch irgendwie realisieren können, mir mehr Zeit nehmen sollen um die Sprachen zu lernen oder oder…. Ja manchmal frage ich mich, ob ich noch mehr aus dem Jahr hätte machen können. Doch letztendlich hätten mir dann sicher andere Momente gefehlt, die ich auf keinen Fall missen möchte. Ich bin unendlich dankbar für all die Erfahrungen die ich machen durfte, für alle überwältigenden Aussichten, alle Diskussionen, jedes ausgetauschte Lächeln und auch für die herausfordernden oder frustrierenden Momente.
Ich wurde so herzlich aufgenommen und mir wurde immer wieder vor Augen geführt, dass ich nicht alleine bin. Sowohl im Projekt, als auch innerhalb der Organisationen hatte ich Vertrauenspersonen und Ansprechpartnerinnen, die mir, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, stets ein offenes Ohr und gute Ratschläge geschenkt haben. Es gab immer jemanden mit dem ich reden konnte, auch wenn ich das manchmal nicht gesehen habe. Die Einsamkeit, die ich ab und zu verspürte, existierte im Grunde nur in meinem Kopf. Vielleicht lag ein Teil aber auch in dem Umstand begründet, dass ich wenig direkten Kontakt zu gleichaltrigen Personen pflegen konnte. Die Abgeschiedenheit des Projekts bedrückte mich, doch diese Art von Isolation hat es mir ermöglicht, mich schneller und vielleicht sogar tiefer gehend einzuleben und zu integrieren. Im Nachhinein betrachtet bin ich sehr froh über die Zeit, in der ich die einzige Freiwillige des Projekts war.
Die Arbeit im Achego Childcare Center, war vielseitig. Der feste Tagesablauf und die Essenspläne haben mir dabei geholfen schnell eine alltägliche Routine zu entwickeln. Morgens putzte ich die Schlafräume der Kinder und half anschließend den Hausmüttern bei der Vorbereitung des Mittagessens. Nach einer kleinen Pause teilte ich den Kindern, die zum Mittag aus der Schule kommen, das Essen aus. Je nachdem was auf dem Speiseplan stand, mussten wir schon direkt im Anschluss mit der Vorbereitung des Abendessens anfangen oder hatten vorher noch ein bisschen Freizeit. Nach dem Abendessen wurde gemeinsam gebetet, gesungen und Fürbitte gehalten. Hinterher beaufsichtigte ich die Kinder bei den Hausaufgaben. Wer Hilfe brauchte konnte zu mir kommen, ich erklärte Aufgaben, kontrollierte Lösungen und beschäftigte die Jüngeren, die schon fertig waren.
Trotz der Routine ist die Arbeit nicht eintönig geworden, denn ein Tag beschränkte sich nur selten auf den normalen Ablauf. In Krankheitsfällen habe ich Kinder in die nahegelegenen Krankenhäuser begleitet und ihre Medikamenteneinnahme kontrolliert. Alle zwei Wochen war ich nachmittags damit beschäftigt, den Kindern die Haare zu kürzen, manchmal gab es viel Feldarbeit zu erledigen, die sich über mehrere Tage strecken konnte, und immer wenn Besuch von außerhalb kam oder besondere Feste gefeiert wurden, war der normale Tagesablauf sowieso ungültig. So konnte ich in vielen verschiedenen Arbeitsbereichen unterstützen und viele verschiedene Dinge lernen, dazu gehören unter anderem das Anpflanzen, Ernten und Kochen einheimischer Gemüsearten, Kuhmelken, Haare schneiden/rasieren und natürlich eine verantwortungsvolle Ansprechpartnerin für die Kinder zu sein.
Im Vordergrund standen immer die Kinder. Wie sehr sie mir jetzt schon fehlen, ihr Lachen, ihre Neugier, ihre Ideen… Unsere Versuche Gespräche zu führen, waren aufgrund der Sprachbarriere nicht immer von Erfolg gekrönt und trotzdem konnten wir uns gegenseitig viele Dinge vermitteln und beibringen. Vermutlich habe ich in diesem Jahr deutlich mehr von ihnen gelernt, als sie von mir, aber ich glaube, ich habe trotzdem eine wichtige Rolle für sie und das Projekt gespielt. Ich habe unterstützt wo immer ich konnte und zu tun gab es meistens mehr als genug, ohne Freiwillige wären die Kinder außerdem viel mehr auf sich gestellt und die Älteren müssten noch mehr Verantwortung für die Jüngeren tragen. Für die Kinder wurde ich zur großen Schwester und Spielkameradin. Aber vor allem wurde ich zu einer weiteren Vertrauensperson, die Aufmerksamkeit schenkt, Lieder mitsingt, Streitereien schlichtet, an Aufgaben erinnert, Grenzen aufzeigt oder auch mal „einfach nur“ rumalbert. Ich habe versucht die Kinder zu entlasten, besonders diejenigen, die mit zusätzlichen Aufgaben betraut wurden, auch um ihnen zu zeigen, dass ich mich in der Hierarchie nicht über sie stelle. Sie haben mich aufgenommen, sie haben mich respektiert, sie waren der Grund, warum ich auch in schweren Zeiten nicht ein einziges Mal an einen Abbruch gedacht habe.
Wenn ich sagen müsste, welcher Moment der schönste war, so könnte ich keinen bestimmten Tag benennen, aber es war, wann immer wir gemeinsam ausgelassen getanzt, gesungen oder gelacht haben…Wenn alle Sorgen, alle Anstrengungen des Tages für den Moment einfach in Vergessenheit geraten sind.
Da ich im Haus des Managers mit auf dem Projektgelände gewohnt habe, waren Arbeit und Freizeit oft schwer voneinander zu trennen. Mein Projekt war mein Zuhause und so fühlte es sich falsch an mich zurückzuziehen, wenn noch nicht alles erledigt war. Deshalb arbeitete ich nicht selten mehr als 8 Stunden am Tag. Zeit für mich hatte ich, an normalen Tagen, vor und nach dem Mittagessen und ab 21.30 Uhr. Dass Richard sowohl mein Gastvater, als auch mein Chef war, hatte Vor- und Nachteile. Beim Frühstück konnte ich mit ihm meine Reisepläne besprechen oder meine freien Tage festlegen. Ich hatte also keinen vom Projekt vorgegebenen Urlaub und auch kein festes Wochenende, sondern konnte mir die Zeiten dafür selbst aussuchen. Ihm lag sehr viel daran, dass es mir gut geht, er wollte immer wissen wo ich bin und hat mir viele Tipps gegeben, wie ich sicherer Reisen kann. Auch bei uns haben sich Arbeit und Privatleben vermischt, so ging es auch abends oft noch um die Pläne für die kommenden Tage oder ich bekam neue Arbeitsaufträge während ich mich im Haus gerade für eine Pause zurückziehen wollte. Einmal gab es einen Konflikt, bei dem wir keine Chance hatten uns aus dem Weg zu gehen, aber vielleicht hat gerade dieser Umstand dazu geführt, dass wir beide schneller darüber hinwegsehen konnten. Obwohl wir durchaus miteinander über Probleme redeten, mal mehr und mal weniger offen, konnten wir diesen Konflikt nicht klären. Insgesamt haben wir aber einen guten Weg gefunden miteinander zu leben und das Thema ruhen zu lassen. Wir konnten zusammen scherzen und uns stundenlang unterhalten, über die Kinder, Kenya und die Welt. Er schätzte mein Engagement und ich schätzte seine Hingabe für das Projekt.
Ich bin gewachsen in diesem Jahr, habe an Selbstsicherheit dazugewonnen und gelernt Grenzen aufzuzeigen. Ich bin gelassener und flexibler geworden. Ich habe gelernt geduldig zu sein, nicht nur im Allgemeinen, sondern vor allem mit mir selbst. Ich konnte Verständnis entwickeln, für Ansichten, die weit weg von meinen eigenen Ansichten liegen. Im Kontrast zur kenyanischen Kultur konnte ich erkennen mit welchen Bräuchen und Benimmregeln ich selbst aufgewachsen bin. Tatsächlich habe ich in diesem Jahr ein neues Bild von dem Ort bekommen, den ich mein Zuhause nenne und von der Gesellschaft, die mich all die Jahre umgeben hat. Mein Weltbild hat sich über das Jahr allerdings nicht grundlegend geändert, sondern eher erweitert. Es hat mich einerseits in meinen Ansichten gefestigt und andererseits gelehrt, bisher selbstverständliches bewusster zu hinterfragen.
Es ist mein Glück in einem Land geboren zu sein, in dem es für Menschen mit (relativ) wenig Geld staatliche Unterstützung gibt, so dass ich im Vergleich zu vielen kenyanischen Kindern, mit einem sehr hohen Standard aufgewachsen bin. Es ist mein Glück, dass es in Deutschland Förderprogramme wie „weltwärts“ gibt, denn ohne dieses hätte ich den Freiwilligendienst in Kenya gar nicht (oder erst in vielen Jahren) machen können. Ich habe dieses Privileg genutzt und ich fühle mich in der Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass ich nicht als Einzige davon profitiere… Ich konnte Vorurteile abbauen und meine Bilder im Kopf überarbeiten. Ich komme zurück mit einer Menge neuer Erfahrungen, mit neuen Sichtweisen und ich hoffe mit meinen Erzählungen auch bei anderen Menschen ein Umdenken bewirken zu können.
Ich weiß ich werde zurückkehren in eine Welt des Überflusses, ich weiß ich werde mich schlecht fühlen, bei all den Privilegien, die mich in Deutschland erwarten. Ich weiß ich allein kann die Weltordnung nicht umwerfen, aber ich kann meinen Teil dazu beitragen, dass es nicht genauso weiterläuft wie bisher, ich kann versuchen möglichst umweltbewusst und nachhaltig zu leben, ich kann fair einkaufen und jene boykottieren, die für Ausbeutung stehen… und ich weiß, auch das sind Privilegien! …Denn nicht jede/r hat die Wahl und nicht jede/r hat die nötigen finanziellen Mittel.
Es liegt also an uns, den „Privilegierten“, etwas zu verändern: angefangen bei unserem Konsumverhalten, bis hin zu unserem Auftreten oder anders gesagt: an den (uns selbst erteilten) Privilegien zu Lasten der restlichen Welt.
Kenia, von Januar 2018 bis Januar 2019
Student: Why are you crying, Miss?
Me: Because I have to leave all of you tomorrow. Student: Don`t cry, Miss. Smile
Me: I try
2nd student: Are you coming back next week, Miss? Me: No. I won’t.
2nd student: When are you coming back?
Me: Soon, I hope.
2nd student: When is soon?
Me: I don`t know. I`ll miss you.
2nd student: Don’t go, Miss. I miss you.
Abschied nehmen war noch nie einfach für mich. Der Gedanke daran, nach Deutschland zurück zu gehen war nicht wirklich vorstellbar, nicht real. In Ramasamudram zu leben und in der Schule zu unterrichten wurde zur Normalität für mich. Die Umgebung, die Nachbarn , der Chaos auf den Straßen, die Sprache und die Blicke die man auf sich spürt, wenn man draußen herum läuft, gehörten zum täglichen Leben.
Besonders meine Gastfamilie ist mir sehr ans Herz gewachsen. Ich will diese gar nicht mehr so bezeichnen, sie ist zu meiner Familie geworden, meiner indischen Familie und ich weiß, dass dies nicht nur vorüber gehend war, sondern auch, dass ich zu jeder Zeit herzlichst willkommen bin. Dafür bin ich unglaublich dankbar und glücklich darüber.
Die Kinder in der Schule wurden mehr als nur meine Schüler, man lernte sich besser kennen, wir haben sowohl zusammen Englisch Unterricht gehabt, als auch kreative Stunden am Nachmittag, bei denen man sich näher kam und die Kinder besser ein zu schätzen lernte. Der kurze Dialog (siehe oben) ist nach meiner Erinnerung vom letzten Tag in der Schule, an dem Tag meines Abschiedes. Noch bevor mir die Tränen kamen, weinte eine Schülerin, weil sie nicht wollte, dass ich gehe. Bei dem Versuch sie zu beruhigen, kamen mir dann selbst die Tränen und am Ende weinten wir alle zusammen.
Auf persönlicher Ebene habe ich viel dazu gelernt, denke ich. Besonders der Abschied von meiner indischen Familie, meinen Schülern, Nachbarn und dem Dorf, in dem ich gewohnt habe, zeigten mir, wie sehr ich mich dort eingelebt habe. Zwar habe ich mir das erwünscht, jedoch fiel es mir bis zum Ende kaum auf, wie sehr ich in Indien angekommen war. Während den letzten Tagen dachte ich immer wieder, dass Deutschland sich so fern anfühlt, so unreal ,als würde dies ein Parallelleben sein, aber niemals so greifbar nah in der Zukunft.
Des Weiteren habe ich gelernt mehr Zeit mit mir selbst zu verbringen, da die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Dorf sehr eingeschränkt sind. Dies hatte natürlich zur Folge, dass man viel nachdenkt und Dinge aus seinem Leben hinterfragt, welche zuvor ganz selbstverständlich erschienen. Darauf folgten mal Tiefs und Hochs während des Jahres.
Momente der Selbstfindung und Momente voller Selbstzweifel.
Die Freiwilligen haben uneingeschränkte Freiheiten sich in der Schule einzubringen. Ok, nicht uneingeschränkt, aber den Ideen und der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Wenn du gut in Englisch bist, dann lass die Kinder davon profitieren. Liegt dir das Singen und Basteln oder gar Yoga und Sport mehr, versuche dies doch mit den Kindern um zusetzten. Falls du dich gut mit Pflanzen und Blumen aus kennst, dann könntest du praktische Stunden zum Pflanzen von Blumen geben und die Kinder dazu animieren selbstständig sich darum zu sorgen, dass es den Blumen gut geht und die Schule würde auch gleich freundlicher und bunter wirken!
Genau diese Freiheiten haben es mir zu Beginn nicht ganz so einfach gemacht einen geregelten Ablauf zu finden, aber im Nachhinein hätte es nicht besser sein können, da man von jeglicher Projektarbeit bis zum Singen, Tanzen oder Diktate schreiben, alles mit den Kindern machen konnte.
Zusammen mit meiner Mitfreiwilligen habe ich es geschafft die Kinder besonders auf dem Feld ihrer Kreativität zu fördern, da meiner Meinung nach Malen und Basteln, also nach eigenen Vorstellungen und Phantasien zu handeln, an meiner Schule im regulären Unterricht zu kurz kommt.
Während des Jahres habe ich mit Antje zusammen in einer Wohnung mit Bad, Küche und eigenem Zimmer gewohnt. Trotzdem hatten wir auch unsere Gastfamilie, welche zugleich unser „Chef“ des Projektes war, bei der wir gegessen haben. Wir wurden nicht nur verpflegt dort, sondern auch in die Familie aufgenommen, wir durften mit kochen, mit in den Tempel gehen oder an anderen Veranstaltungen teilnehmen. Wie schon oben geschrieben, ist mir die Familie sehr ans Herz gewachsen und ich werde sie hoffentlich nicht nur einmal nochmal besuchen!
Während es mit der Integration in der Familie sehr gut geklappt hat, war leider jeglicher sozialer Kontakt außerhalb, also zu den Nachbarn, sehr gering auf Grund der Sprachbarriere. Auch war es leider eher weniger möglich mit gleichaltrigen in Kontakt zu treten, da die Frauen oft schon eigene Familien hatten und zu männlichen Personen der Kontakt mehr oder minder untersagt ist. Gegen Ende des Jahres, als der Abschied näher kam, habe ich öfters mal versucht mit den Nachbarn zu reden und erst dann viel mir auf, dass es einfacher ist mit ihnen sich irgendwie zu verständigen, als ich immer dachte. Ich saß ab und zu mit ihnen und mir wurde bewusst, dass ich dies viel früher hätte machen sollen.
„Meistens belehrt uns erst der Verlust über den Wert der Dinge“ (Arthur Schopenhauer)
Dies ist ein Zitat, welches mir die letzten Tage besonders im Kopf herum schwirrte. Vom Gefühl her gab es kein Ende, auch wenn ich es von Anfang an wusste, dass ich nur ein Jahr in Indien sein werde, aber als der Alltag eintrat, dachte ich, dies wird immer so sein. Zumindest länger. Aber plötzlich, wie eine Faust ins Gesicht, wurde mir bewusst, dass auch diese Erfahrung, dieses Erlebnis voller Lehren zu Ende gehen sollte.
Ich bin unglaublich dankbar über diese Möglichkeit diesen Freiwilligendienst absolviert haben zu können und, dass ich so viele nette Leute kennen lernen durfte. Auch wenn ich innerlich sehr an dieser Zeit hänge und durchgehend weinen könnte, dass es vorbei ist, versuche ich es positiv zu sehen. Denn nicht jeder hat dieses Privileg, die Zeit, das Geld und alle anderen Bedingungen, welche vorhanden sein müssen, um einen Freiwilligendienst zu machen. Damit möchte ich nicht betonen, dass ich besser bin, sondern nur, dass jeder für das was er hat oder erlebt hat dankbar sein sollte und niemals traurig es zu verlieren, denn Erinnerungen bleiben immer. Die an mein Jahr in Ramasamudram besonders.
Indien, von Sommer 2016 bis Sommer 2017
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und die Tage, die ich hier voll verbringen werde lassen sich an einer Hand abzählen. Obwohl mir bewusst war, dass der Tag der Abreise irgendwann kommen wird , habe ich nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen wird. Ich habe meine baldige Abreise und Rückkehr nach Deutschland immer noch nicht wirklich realisiert und befinde mich immer noch meiner Tagesroutine. Diese Woche hatte ich schon mein Endterm-Camp mit meiner Organisation und gemeinsam mit den anderen Freiwilligen meiner Organisation haben wir einen kulturellen Abend organisiert, bei dem wir tansanische Spezialitäten kochten und dabei traditionelle tansanische Kleidung trugen. Heute verbrachte ich den letzten Tag in meinem Projekt und der Abschied war sehr bewegend und emotional. Alle haben sich so unglaublich viel Mühe gegeben und mir einen unvergesslichen Tag beschert.
Projekt:
Ich würde gerne kurz davor berichten, da es ein sehr schöner Abschluss von meinem Projekt war, wo in den größten Teil meines Freiwilligendienstes verbrachte. Zuerst wurde ich in der Primary Scholl vom Direktor, den dort arbeitenden Lehrer_innen und den Schüler_innen verabschiedet. Dabei wurden die deutsche und tansanisch Nationalhymne gespielt, Reden gehalten und anschließend erhielt ich Geschenke von den Schüler_innen der Primary School. Zurück in der Nursery wurden zahlreiche Fotos von mir mit den anderen Lehrer_innen und Schüler_innen gemacht und meine Abschiedsfeier dort wurde vorbereitet. Dabei verteilte ich Kuchen an jeden, in Tansania verteilt der Ehrengast der Feier immer Kuchen an alle, und bekam abermals Geschenke von meinen Kolleg_innen und meinen Schüler_innen. Ich habe mich unglaublich über alles gefreut und werde diesen Tag niemals vergessen.
Ich werde die Schüler_innen, meine Kolleg_innen und das Projekt wahnsinnig vermissen. Ich hab mich sowohl in meinem Team als auch in meiner Nursery sehr wohl gefühlt. Vom ersten Tag an wurde ich herzlich begrüßt und in die Gemeinschaft integriert. Im Laufe der Zeit hatte ich das große Glück meine Kolleg_innen und teilweise sogar ihre Familien näher kennenlernen und interessante Gespräche mit ihnen über die tansanische Kultur und ihr Leben führen zu dürfen. Auch wenn ich „nur“ eine Freiwillige ohne Ausbildung im Lehrbereich war, hatten sich alle bemüht mich zu integrieren und meine Ideen umzusetzen. Beispielweise hatte ich angefangen, störende Kinder in einen anderen Raum zu schicken, anstatt sie zu schlagen. Nach einiger Zeit folgen einige Lehrer_innen meinem Beispiel.
Bezüglich der Frage , wie sich Freiwillige in meinem Projekt einbringen können kommt es darauf an, ob man in der Schule oder der Nursery arbeitet. Da ich nur in der Nursery gearbeitet habe, kann ich nur davon berichten. In der Nursery gibt es einem mehr oder weniger bestehenden Tagesablauf und Plan, wie alles funktioniert. Diesen umzustellen ist sehr schwierig und in meinen Augen auch unnötig, da es wunderbar funktioniert. Aber alle sind immer offen für neue Ideen und Anregungen. So kann man morgens beim Assembly, wo die Kinder singen und tanzen neue Lieder beibringen oder sich kreative Weisen zu unterrichten überlegen. Ansonsten sollten man Anfang bisschen zuschauen und dann heißt es „learning by doing. Mit der Zeit findet man raus, wo man sich gut einbringen kann und was einem selbst am besten liegt. Man sollte auf jeden Fall viel Geduld und Freude an der Arbeit mit Kindern mitbringen. Auch sollte man sich nicht davon scheuen mal anpinkelte Kindern zu versorgen oder den Putzlappen zu schwingen.
Ob ich wirklich etwas bewirkt habe ist schwierig zu sagen, da ich in einer Schule gearbeitet habe und diese auch ohne mich wunderbar funktioniert hatte. Durch meine Anwesenheit in der Nursery konnten wir auf die einzelnen Schüler_innen besser und gezielter eingehen, da wir zu zweit eine Klasse betreuten und so mehr Zeit für die individuelle Förderung bleibt. Auf der andern Seite hätte das jede Freiwillige, egal ob aus Deutschland, Tansania oder jedem anderen beliebigen Land ebenso gut machen können. Das Wichtigste war jedoch, dass wir alle voneinander gelernt haben und eine großartige Zeit hatten.
Gastsituation
Ich hatte das Glück in einer Gastfamilie zu wohne und habe es sehr genossen. Auch wenn man mit gewissen Einschränkungen und Regeln leben muss, lohnt es sich und man lernt so unglaublich viel über die tansanische Kultur. Diese Erfahrung würde ich jedem nur ans Herz legen. Ich lebte mit in einer Großfamilie, die aus den beiden arbeitenden Gasteltern, deren Söhnen (8 und 4 Jahre alt), ihrer Nichte (13 Jahre alt), den beiden Haushaltshilfen, dem Onkel und zeitweiser meiner Mitfreiwilligen bestand. Dadurch, dass ich mir das erste halbe Jahr mein Zimmer mit meiner österreichischen Mitfreiwilligen teilte, hatte ich zwei unterschiedliche Erfahrung bezüglich meiner Wohnsituation und ich bin dankbar für beide. Das erste halbe Jahr unternahmen wir gefühlt alles zusammen und konnten uns über jedes Problem austauschen. Dafür habe ich dann in der zweiten Hälfte des Jahres viel mehr mit meinen Gastgeschwistern und unseren Haushaltshilfen unternommen und habe dadurch ein viel engeres Verhältnis zu ihnen geknüpft.
Unsere Gastmutter hat uns besonders am Anfang so viel über die tansanische Kultur beigebracht, indem sie uns unglaublich viel erzählt hat und wir gemeinsame Sachen unternommen hatten. Wir kochten zusammen, wir kauften zusammen Lebensmittel bei Märkten ein, ebenso wie Stoffe, die wir anschließend zum Schneider brachte, der uns wunderschöne Kleider daraus nähten. Wir begleiteten unsere Eltern auf eine Hochzeit und unsere Mutter brachte uns bei wie man Khangas, traditionelles tansanisches Kleidungsstück trägt und wie man seine Knie und Schultern in der Öffentlichkeit ordentlich bedeckt. Die allwöchentlichen sonntäglichen Kirchenbesuche gaben uns ebenfalls einen guten Einblick in die tansanische Kultur. Auf der anderen Seiten hatten wir mit einigen Regel zu leben, die beispielsweise frühzeitiges heimkommen beinhalteten oder Clubbesuche oder Alkoholgenuss verboten. Des Weiteren lernten wir auch das traditionelle Familienleben kennen, bei dem der Mann Oberhaupt der Familie ist, das letzte Wort hat und kaum im Haushalt hilft.
Unsere Haushaltshilfen, mit den ich viel gemeinsam kochte oder andere Haushaltsaufgaben erledigte, brachten mit bei, tansanisch zu kochen und ich genoss es mit ihnen in der Küche zu sitzen und zu plaudern. Mit der Zeit wurden wir dicke Freunde und werden auch über das Jahr hinaus Kontakt pflegen.
Alles in allem würde ich sagen, dass ich mich hauptsächlich durch meine Gastfamilie so gut integrieren konnte. Meine Kolleg_innen von der Arbeit und Freunde, die ich hier getroffen hatte haben mir aber ebenso geholfen. Vor allem aber haben mir die Gespräche geholfen zu verstehen und die Kultur anzunehmen.
Es ist schwierig zu sagen, was ich fachlicher und persönlicher Ebene gelernt habe, da das ganze eigentlich ein Lehrdienst war, bei dem ich jeden Tag etwas neues gelernt habe. Am meisten habe ich jedoch über mich, meine Ziele und Persönlichkeit gelernt. Eine wichtige Eigenschaft in die man in Tansania nicht herum kommt , ist Geduld. Geduld wenn man warten muss oder Geduld bei der Arbeit mit den Kindern. Des weiteren habe ich gelernt, Leute oder Dinge weniger zu beurteilen, sondern die Sache oder die Person erst besser kennenzulernen und mir erst dann eine Meinung zu bilden.
Bevor ich nach Tansania ging habe ich mir ehrlich gesagt gar keine großen Erwartungen gemacht, da ich aufgeschlossen für alles sein und mich überraschen wollte. Eine Erwartungen hatte ich jedoch schon und zwar, dass ich in einer Schule unterrichten würde. Letztendlich habe ich jedoch in einer Nursery unterrichtet.
Es gibt kaum etwas, dass ich wirklich anders hätte machen können, außer mehr und sogar schon vor meiner Abreise Kiswahili, die Landessprache Tansanias, lernen zu können. Sonst habe ich versucht aus jeder Situation das Beste zu machen und selbst wenn es mal nicht so gut lief, hat es sich einige Zeit später doch als eine lehrreiche und oft positive Erfahrung herausgestellt
Tansania, von Sommer 2016 bis Sommer 2017
„Noch immer glaube ich, den Boden unter meinen Füßen schwanken zu spüren, aber ich habe keine Angst mehr davor, zu stürzen. Es ist ein schönes Gefühl. Es ist das Gefühl von Leben in Bewegung.“
Andreas Steinhöfel - Die Mitte der Welt
Den Boden unter meinen Füßen habe ich während meines Jahres in Ghana als Freiwillige oft schwanken gespürt. Besonders als ich mich am Anfang mit all meinen Erwartungen, meiner Aufregung und meiner Neugierde ins Flugzeug gesetzt habe. Wurden meine Erwartungen erfüllt? Viele habe ich schon während den ersten Monaten losgelassen, denn nur so konnte ich mich komplett auf Ghana einlassen. Sich einfach fallen lassen und den schwankenden Boden als schönes Gefühl wahrnehmen.
Seit meinem letzten Bericht hat sich im Projekt und auch in meinem persönlichen Umfeld viel verändert. Mit dem Abschied von Lili und Siiri kamen zwei neue Freiwillige in mein Projekt, die nicht nur frischen Wind in die Schule brachten, sondern auch in mein alltägliches Leben. Ein ganz neuer Abschnitt fing an und mit ihm kam eine Zeit, die viel Neues, Herausforderungen und Freude bereithielt. Nun neigt sich meine Zeit in Ghana dem Ende zu und ich blicke zurück auf die ersten Monate, in denen ich mich noch unsicher und manchmal auch ein bisschen verloren gefühlt habe. Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. Ich habe in diesem Jahr dieses Land und die Menschen so tief in mein Herz geschlossen und fühle mich sehr wohl in Kumasi, einer Stadt die voller Musik, leckerem Fufu und den vielen Trotros ist, die sich wie Ameisen in einem Ameisenhaufen durch die Straßen mit den vielen Schlaglöchern kämpfen.
Ich habe während meiner Zeit als Freiwillige in der Price Academy und dem Columbus Waisenhaus nicht nur auf fachlicher sondern besonders auf persönlicher Ebene unglaublich viel für mich mitnehmen können. Im Unterricht habe ich eine immer mehr wachsende Durchsetzungskraft entwickelt und die Kinder haben mir gezeigt wo meine Grenzen liegen. Da ich alle Freiheiten im Deutschunterricht hatte, konnte ich selber kreativ werden oder auch mal komplett improvisieren und meinen Ideen freien Lauf lassen. Auch meine Englischkenntnisse und das freie Sprechen vor einer Klasse haben sich verbessert. Die Arbeit im Team mit den Lehrern war oft sehr herausfordernd für uns Freiwillige, da viele kulturelle Unterschiede einen starken Einfluss auf die Kommunikation und Arbeitsweise hatten. Ich bin an diesen Diskussionen sehr gewachsen, in denen ich oft sehr stark bleiben und mich selber verteidigen musste. Durch diese Auseinandersetzungen habe ich etwas gelernt, für das ich sehr dankbar bin. Menschen, die einem nicht gut tun loszulassen und sie da zu lassen wo sie sind. Denn ich kann keinen Lehrer in seiner Denkweise verändern, sondern nur vielleicht einen Anstoß geben, eine Sache auch mal von einer anderen Seite zu betrachten. Das zu erkennen war wahrscheinlich auch die größte Herausforderung für mich in diesem Jahr.
Die Arbeit und das Leben im Projekt waren für mich im zweiten Halbjahr um einiges leichter. Ich hatte zum ersten Mal ein Zimmer für mich alleine und hatte somit mehr Möglichkeiten mich auch mal zurückzuziehen und ein bisschen Ruhe zu tanken. Mit meinen Mitfreiwilligen hat sich ein tolles Zusammenleben entwickelt. Auch die Beziehung zu meinen zwei „Gastschwestern“ Naomi und Adelaide ist immer lockerer geworden. Naomi hat sich als unsere Projektleitung ein bisschen aus der Schule zurückgezogen und der Direktor ist unser direkter Ansprechpartner geworden. In unserem Alltag gibt sie uns sehr viele Freiheiten und es ist schön zu wissen, dass sie uns so sehr vertraut und wir auch mal am Wochenende bis in den frühen Morgen mit unseren Freunden unterwegs sein dürfen. Die Waisenkinder sind ein bisschen zu meinen Ersatzgeschwistern geworden. Wenn ich morgens mit einem nachgemachten Hahngeschrei vor meinem Fenster geweckt werde oder es um 6 Uhr wie wild an der Tür klopft, nur weil Isaac mal wieder Zahnpasta von mir braucht, habe ich ein Lächeln auf den Lippen, während ich mich fluchend aus dem Bett quäle. Ich genieße es sehr wenn sich mein Zimmer wieder zu einem Platz entwickelt, wo die lautesten Kartenspiele gespielt werden oder wir alle zusammen zu einem ghanaischen Song tanzen. Manchmal muss man dann aber auch mal alle rausschmeißen, weil man nach einem anstrengenden Schultag erstmal Ruhe braucht. Ich bin so dankbar für die Zeit, die ich mit den Kindern verbringen durfte und werde jeden sehr vermissen. Umso mehr bin ich gespannt wie sie sich in den nächsten Jahren entwickeln und wer noch hier ist, wenn ich wieder nach Ghana komme und das Projekt besuche.
Mit manchen Freiwilligen in den anderen Projekten in Kumasi hat sich eine enge Freundschaft entwickelt und ich habe viele tolle Reisen durch Ghana und Togo mit ihnen unternommen. Es ist schön zu wissen, dass man die meisten in Deutschland wieder ganz einfach besuchen kann. Anders wird es werden mit meinen ghanaischen Freunden, die mich Ghana nochmal auf eine ganz andere Art und Weise erleben lassen haben. Ich werde es sehr vermissen mit ihnen tanzen zu gehen oder zusammen zu kochen.
„Time will tell.“ Ghana ist ein ziemlicher Gegensatz zu der durchgeplanten Zukunftsgesellschaft in Deutschland. Ich habe hier gelernt manche Dinge einfach loszulassen und um einiges geduldiger zu werden. Da ich schon immer ein sehr organisierter Mensch war, der sich über vieles den Kopf zerbrochen hat, hat es mir wirklich gut getan auch mal keine Gewissheit zu haben und die Sachen einfach laufen zu lassen. Auch mal sieben Stunden zu warten bis ein Bus abfährt oder los zu reisen ohne vorher zu wissen wo man abends schläft. Ich habe hier eine richtige Entschleunigung für mich selber erlebt und ich hoffe, dass die noch lange in Deutschland nachhallen wird.
„Osrane ne nsoromma“ – Die Treue zu dir selbst. Ich habe für mich herausgefunden, dass das einfach das Wichtigste ist um glücklich mit sich selbst zu sein. Die Selbsttreue beinhaltet für mich, dass man für sich selber sorgt, auf seine Intuition vertraut und vor allem sich selber so anzunehmen wie man ist. Während meines Jahres hier habe ich immer mehr zu dieser Selbsttreue gefunden und immer weniger darüber nachgedacht was alle anderen von mir denken. Da man hier überall beobachtet, angesprochen und eigentlich so gut wie nie für sich allein ist hatte ich anfangs wirklich Schwierigkeiten gehabt mich auch mal nur auf mich zu konzentrieren. Doch alle Höhen und Tiefen haben mich wachsen lassen und ich habe mich weiter entwickelt – immer mehr zu mir selbst hin.
Konnte ich etwas bewirken in Ghana? Diese Frage finde ich eher schwierig zu beantworten. Ich habe gemerkt, dass ich viele Kinder ein bisschen für die deutsche Sprache begeistern konnte. In den Unterricht habe ich viel Energie und Zeit gesteckt. Auch im Projekt hat sich einiges entwickelt und ich habe an vielen Sachen mitgearbeitet, sei es für neue Kinder für die Schule zu werben oder den Schulräumen einen neuen Anstrich zu geben. Nach diesem Jahr kann ich mit Überzeugung sagen, dass Ghana unglaublich viel in mir bewirkt hat und das Land mir so viele wertvolle Erlebnisse und Erfahrungen geschenkt hat. Der Auszug aus meinem Lieblingsbuch „Die Mitte der Welt“ von Andreas Steinhöfel hat mich das ganze Jahr in Ghana über begleitet. Und jetzt zum Schluss, am Ende meines Freiwilligendienstes, kann ich diese Worte erst richtig nachvollziehen. Meine Arbeit als Deutschlehrerin in der Schule, meine Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, die vielen abenteuerlichen Reisen durch das Land… ein Gefühl von Leben in Bewegung.
Kumasi, von Sommer 2016 bis Sommer 2017
365 Tage sind jetzt vorbei und ich kann es kaum glauben, dass das nun ein Jahr war. Wenn ich zurück auf das Jahr blicke, fühlt es sich ein bisschen an wie ein Traum, so ungreifbar. Es ist als hätte mir jemand vor einem Jahr einen Luftballon in die Hand gedrückt welchen ich nun über die letzten 52 Wochen mit Erlebnissen, Erfahrungen und Erkenntnissen aufgeblasen habe. Jetzt trag ich diesen Ballon mit mir herum, er gehört jetzt zu mir und er hat jede Menge Bedeutung für mich.
Wenn ich ihn anblicke erinnert er mich daran, was ich im letzten Jahr alles gelernt habe. Über das Jahr konnte ich viel im Umgang mit Schul- und Kleinkindern lernen und die Kinder haben mich viel gelehrt. Für die Zukunft konnte ich mitnehmen wie man Kindern auf spielerische Weise Dinge beibringen kann und welche Fähigkeiten Kinder in welchem Alter entwickeln (Sprechen, Laufen, usw.). Durch das Begleiten der Kinder bei ihrer Entwicklung bin ich viel geduldiger geworden, da die Kinder beim Erlernen neuer Fähigkeiten natürlich Zeit brauchen. Darüber hinaus konnte ich auf persönlicher Ebene viel lernen. Die Schicksale der Kinder haben mich erkennen lassen, wie glücklich ich mich selbst schätzen kann, eine Familie zu haben und Eltern zu denen ich eine gute Beziehung habe, die mich unterstützen und stützen.
Das Leben in der südafrikanischen Gesellschaft hat mir auch klar gemacht, wie gut es mir mit meinem Leben in Deutschland geht und wie viele Möglichkeiten mir für mein Leben offenstehen, einfach und allein durch die Nationalität, die in meinem Pass steht.
Alles in allem, hat mich dieses Jahr vor allem Dankbarkeit gelehrt, für alles was ich habe und dafür, dass ich so viel mehr habe als ich brauche. Momente der Herausforderung haben mich außerdem gelehrt, dass es in meiner Hand liegt wie ich mein Leben gestalte und das ich Schmied meines Glückes bin, Angst in den meisten Fällen unbegründet ist und ein kurzer Moment des Mutes so viel positiv bewirken kann. Von der südafrikanischen Bevölkerung konnte ich Ruhe und Gelassenheit in schwierigen Situationen mitnehmen, und die Gewissheit, dass es für alles eine Lösung gibt.
In meinem Projekt, dem ‘Baitul Ansaar Child and Youth Care Center‘, konnte ich mich auf verschiedene Weise einbringen. Neben dem Planen und Durchführen von Aktivitäten und Ferienprogrammen für die Kinder, war es auch Teil meiner Aufgaben die Kinder zu waschen und zu füttern, bei Hausaufgaben zu helfen und meine Kolleginnen bei Arztbesuchen der Kinder zu unterstützen. Mit den Kindergartenkindern haben wir auch verschiedene Ausflüge in den Park oder an den Strand gemacht und mit den Schulkindern in den Ferien das Kino besucht und eine Bootsfahrt gemacht. Bei den Aktivitäten war ich dann als Aufsichtsperson mit dabei. Vor allem ging es in meinem Projekt jedoch darum, denn Kindern Aufmerksamkeit und Geborgenheit zu schenken und für sie da zu sein. Da die Kinder oft vernachlässigt, missbraucht oder für lange Zeit alleine gelassen wurden, standen das Stillen ihrer Grundbedürfnisse und das Schaffen eines liebevollen Raumes an erster Stelle. Durch die viele und intensive Zeit mit den Kindern konnte ich gute Beziehungen zu ihnen aufbauen und konnte lernen in einer guten Balance Bezugs- und Respektperson zu sein.
Von Anfang an wurde ich im Team willkommen geheißen und die Zusammenarbeit hat immer gut funktioniert. Das ganze Jahr über hat die Kommunikation zu meinen Kolleginnen und meiner Chefin gut funktioniert und Probleme wurden offen angesprochen und geklärt. Bei Problemen im Projekt oder oft auch darüber hinaus, hatten meine Kolleginnen immer ein offenes Ohr für mich und haben mir geholfen wo sie konnten. So entstanden auch Freundschaften, die über die Arbeitszeit hinauswuchsen.
Dadurch, dass das Kinderheim muslimisch geprägt ist, konnte ich außerdem die muslimische Kultur besser kennenlernen Es war schön, wie offen meine Kolleginnen uns eingeladen haben die muslimische Kultur mitzuerleben. In der Fastenzeit wurden wir eingeladen das Fastenbrechen mit zu feiern und wurden an Eid von unserer Managerin eingeladen, den Tag mit ihr und ihrer Familie zu verbringen.
Auch in meiner Gastfamilie wurde ich sehr herzlich willkommen geheißen und sie stand mir immer mit Rat zur Seite. Gemeinsam mit einer anderen Freiwilligen habe ich das Jahr in einer Gastfamilie gewohnt. Wir wurden herzlich in die Familie aufgenommen und in Familienevents einbezogen, wenn wir dies wollten. Gemeinsam haben wir Feiertage wie Weihnachten und Ostern verbracht und haben Geburtstage gemeinsam gefeiert. Wenn wir Schwierigkeiten bezüglich des Transports hatten, haben unsere Gasteltern immer versucht Lösungen für uns zu finden und versucht es möglich zu machen, dass wir unsere gewünschten Freizeitaktivitäten machen konnten (z.B.: am Abend vom Sport/von Freunden abgeholt).
Unsere Gasteltern haben sich immer und in jeder Hinsicht um uns gesorgt, uns versorgt wenn wir krank waren und waren interessiert daran wie es uns geht und was wir machen. Ich bin sehr froh, dass ich nun eine zweite Familie am anderen Ende der Welt habe und weiß, dass ich dort immer willkommen sein werde.
Durch die Besuche der Hllsong Church in meinem Wohnort konnte ich Personen in meinem Alter kennenlernen. Die Connect-Group, eine Gruppe von 18-25 Jährigen, die sich alle zwei Wochen trifft, hat es möglich gemacht, dass ich Freundschaften zu Einheimischen schließen konnte.
Bevor ich nach Südafrika kam, hatte ich nicht viele Erwartungen, aber trotzdem Vorstellungen wie es sein könnte. Meine Vorstellung war, dass ich sehr viel praktisch im Projekt arbeiten kann und den Kindern Wissen und Fähigkeiten beibringen kann. Dadurch, dass ‘Baitul Ansaar‘ jedoch ein Notfall- Kinderheim ist in dem die meisten Kinder nicht sehr lange bleiben, war dies anders. In erster Linie ging es vor allem darum die Kinder physisch und psychisch wieder aufzubauen und ihnen einen Raum zugeben, in dem sie sich sicher und geborgen fühlen, Kind sein können. Dies war in keinster Weise schlechter als erwartet, nur anders und in mancher Hinsicht auch um einiges besser als erwartet. Ich denke, dass mein Lerneffekt durch die Beschäftigung mit den Kindern und ihren Schicksalen, vor allem auf persönlicher Ebene viel größer war und die Kinder mich in der Zeit viel mehr lehren konnten, als ich ihnen beibringen konnte.
Ich hatte mir auch vorgestellt, dass ich auf kultureller Ebene im Projekt und der Gastfamilie auf viele Herausforderungen stoßen werde, was allerdings nicht der Fall war. Nie hatte ich mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Meine Herausforderungen lagen immer nur auf persönlicher Ebene und entstanden durch Anforderungen die ich an mich selbst gestellt hatte. Bei diesen Herausforderungen standen mir meine Gastmutter und meine Mitfreiwilligen immer zur Seite und haben mich unterstützt. Glücklicherweise habe ich nie Unterstützung aufgrund von Problemen in der Gastfamilie oder im Projekt gebraucht, diese Orte waren immer meine Unterstützung.
Wenn ich auf das Jahr zurückblicke gibt es eigentlich nichts, dass ich bereue. Manchmal denke ich, ich hätte mich mehr in die Arbeit im Projekt reinhängen können. Dann wird mir jedoch bewusst, dass ich die Energie die ich dafür gebraucht hätte, vor allem in der Anfangszeit, nicht hatte. Im ersten halben Jahr brauchte ich noch viel Energie dafür richtig hier anzukommen und mich im neuen Umfeld einzuleben. Das ich jetzt die Energie dafür hätte und Dinge anders gestalten würde, zeigt mir, dass ich mich weiterentwickelt habe, viele Dinge gelernt habe und mir jetzt Dinge zutrauen kann die mich vor einem Jahr wahrscheinlich noch sehr überfordert hätten.
Deshalb schaue ich lächelnd auf das Jahr zurück, denn es war gut so wie es war. Ich bin unglaublich dankbar für das was war und das ich dieses Jahr erleben durfte. Ich bin froh, dass ich mich für einen Freiwillgendienst entschieden habe und würde es immer wieder machen.
Jetzt, da es Zeit wird Abschied zu nehmen, vermischt sich die Freude auf das Wiedersehen mit meiner Familie Zuhause mit der Traurigkeit, dass ich die Menschen die in diesem Jahr meine Familie wurden und alle die mir sehr ans Herz gewachsen sind, für eine ganze Weile oder teilweise auch nicht mehr wiedersehen werde. Es fällt mir schwer mein Leben und meinen Alltag, den ich mir hier über die letzten 365 Tage aufgebaut habe, zurückzulassen. Im Moment kann ich es noch nicht realisieren, dass ich nicht einfach Mal am Wochenende zurückkommen kann, sondern dieses Kapitel meines Lebens jetzt zu Ende ist und es Zeit wird weiter zu ziehen.
Leise hat sich auch die Angst eingeschlichen, dass Zuhause alles anders sein wird und ich in meine alte Welt nicht mehr reinpassen werde. Ich frage mich ob mein Freiwilligendienst-Luftballon langsam seine Luft verlieren wird und ich vergessen werde, wie es war als ich hier war, wie es sich angefühlt hat und was ich gelernt habe. Oder ob die Angst, dass alles verschwimmt und so ungreifbar wird, dass ich nicht mehr herankomme an alles was war, unbegründet ist. Die Hoffnung ist, dass sich all das so fest an die Erinnerungen geheftet hat, dass ich es nie vergessen werde und dass jede Erfahrung so stark war, dass selbst die Hülle des Luftballons mich immer daran erinnern wird.
Kapstadt, von Sommer 2016 bis Sommer 2017
Jetzt ist mein Freiwilligendienst in Maputo, Mosambik schon vorbei. Die Zeit verging wahnsinnig schnell! Zwar bin ich noch nicht zurück in Deutschland, aber ich musste mich schon in meinem Projekt verabschieden, weil ich meine letzten Ferientage zum Ende meines Jahres hin nutze. Die Vorstellung all die Menschen hier und auch meine Arbeit hinter mir zu lassen, fällt mir sehr schwer. Da ist es schön, dass ich in meinem Abschlussbericht noch einmal meine Erlebnisse aus diesem Jahr aufzuschreiben kann.
Auf fachlicher Ebene habe ich besonders im Projekt viel gelernt. Ich habe dort mit Straßenkindern neben vielen Spielen auch Grundschulstoff wie Lesen, Schreiben und Mathe gelernt. Ich habe dort gelernt, wie man Kindern diese Inhalte am besten vermittelt, sodass sie den Stoff auch wirklich verstehen. Das war für mich neu. Zwar hatte ich ähnliche Aufgaben auch in Deutschland in der Hausaufgabenbetreuung, jedoch musste ich in Mosambik ein ganz neues System entwickeln. Hier ist die Art des Unterrichts sehr anders als in Deutschland und die Jungen sind so auch an eine andere Art des lernen gewöhnt. Auch sonst habe ich im Umgang mit Kindern viele neue Erkenntnisse gewonnen und werde in Zukunft vieles anders machen als zuvor.
Der fachlich sicher größte Gewinn war das Erlernen von einer neuen Sprache. Als ich vor einem Jahr ausgereist bin habe ich kein Wort Portugiesisch gesprochen und bin damit am Anfang oft vor unüberwindbaren Problemen gelandet. Mittlerweile spreche ich fließend Portugiesisch und habe dafür kaum gearbeitet. Einen Großteil der Sprache habe ich im Gespräch und Austausch mit meinen mosambikanischen Mitmenschen gelernt.
Auch auf persönlicher und interkultureller Ebene bin ich gereift. Hier kann ich keine konkreten Beispiele nennen. Ich merke viel mehr, dass ich viele schwierige Situationen erlebt habe, die ich aber immer irgendwie lösen konnte. Ich bin mit einer neuen, ganz anderen Kultur konfrontiert worden, habe mich aber erfolgreich angepasst. Diese Erfahrung macht mit optimistisch für den Umgang mit neuen Menschen oder auch Kulturen. Ich habe gelernt, dass man sich mit der richtigen Einstellung in verschiedensten Kulturen und Personenkreisen wohl fühlen kann. In der zweiten Hälfte des Jahres habe ich viele weitere Eindrücke über Mosambik gewinnen können. Da ich die Sprachbarriere nicht mehr hatte und so leichter Freunde finden konnte habe ich einen konkreten Einblick ist das Leben vieler Mosambikaner erreicht. Dies ist eine tolle und spannende Erfahrung, weil es sich häufig stark von meinem Alltag in Deutschland unterschieden hat.
Als mein Lieblingsort in Mosambik hat sich im Laufe der Zeit mein Projekt herausgestellt. Ich habe mich das ganze Jahr hindurch in meinem Projekt sehr wohl gefühlt. Ich habe mein komplettes Team seht gern gehabt. Es bestand aus vielen Personen. Jeder hatte seinen eigenen Aufgabenbereich wodurch man sich nicht gegenseitig stört, aber bei Bedarf helfen kann. Mein „Verantwortlicher“ hatte immer ein offenes Ohr für mich und berücksichtigte meine Wünsche und Ideen.
Ich denke jeder Freiwilliger kann sich auf eigene Weise in Projekten einbringen. Dabei sollte man versuchen seine eigenen Interessen (Musik, Sport etc.) mit einer sinnvollen Tätigkeit zu verknüpfen. Man sollte eine gewisse Kreativität und Eigeninitiative mitbringen und damit neue Ideen in dem Projekt einbringen. Ich denke, dass man dabei jedoch darauf achten muss, dass man sich nicht zu sehr in den Vordergrund spielt. Wichtige Entscheidungen sollte man den Verantwortlichen des Projektes überlassen.
Ich glaube, dass ich während meiner Zeit viele kleinere Ziele erreicht habe. So habe ich zum Beispiel erfolgreich mit einigen Kindern Lesen und Schreiben gelernt. Andere Kinder konnte ich davon überzeugen, dass es keine Lösung ist das Projekt zu verlassen und wieder auf der Straße zu leben. Auch haben ich Jungen erklärt, warum man nicht Schule schwänzen kann. Ich habe auch häufig Kindern die Zuneigung gegeben, die sie sonst nicht genug bekommen. Das ist meiner Meinung nach auch sehr wichtig.
Ich habe die ersten 7 Monate in einer mosambikanischen Gastfamilie gelebt. Dort hatte ich mich wohl gefühlt, musste aber ausziehen, weil ich täglich 2-3 Stunden zu meinem Arbeitsplatz benötigt habe. Danach habe ich in einer Wohnung gemeinsam mit einem deutschen Freiwilligen und einem Freund aus Simbabwe gelebt. Natürlich habe ich in der ersten Wohnsituation den mosambikanischen Alltag dichter erlebt, als in den letzten Monaten. Ich habe meine Gastfamilie jedoch bis zum Ende regelmäßig besucht und viele andere Familien besucht und so eine Menge mitbekommen. Auch in der Wohnung hat ein kultureller Austausch mit unserem Freund aus Simbabwe stattgefunden.
Nach anfänglichen Problemen konnte ich mich in den letzten Monaten immer besser sozial integrieren. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich gut abschätzen, dass einige Personen nur mit mir befreundet sein wollten, weil ich aus Deutschland komme und andere Personen wirklich an mir als Menschen interessiert waren.
Bevor ich letzten August ausgereist bin, hatte ich keine konkreten Erwartungen an mein Auslandsjahr. Ich hatte eine große Motivation eine neue Kultur und Sprache kennenzulernen. Außerdem wollte ich einen Freiwilligendienst leisten und etwas bewirken. Diese Pläne konnte ich alle sehr gut umsetzen und bin so zufrieden mit meinem Erreichten im Laufe des Jahres. Ich würde trotzdem nicht sagen, dass mein Auslandsjahr so war, wie ich es erwartet habe. Viele Erlebnisse aus Mosambik habe ich so nicht erwartet und hätte ich mir wohl auch nicht vorstellen können, als ich noch in Deutschland war. Ich bin jedoch wahnsinnig dankbar für all diese Erfahrungen. Auf diese Weise wurde Mosambik zu einem unvergesslichen und sehr besonderem Jahr!
Wenn ich auf mein Jahr zurückblicke und mir überlege, was ich gerne anders gemacht hätte, würde ich sagen, dass ich gerne schon vorab ein wenig Portugiesisch gekonnt hätte. Die ersten Wochen habe ich viele Kommunikationsprobleme gehabt, weil ich die Sprache noch nicht konnte. Gleichzeitig war es aber auch schön zu sehen, wie schnell man eine neue Sprache auch lernen kann.
Am Ende eines tollen Jahres bin ich dankbar für alle meine Erfahrungen und meine wunderbare Zeit in Mosambik. Das Jahr war etwas sehr besonderes und ich werde Mosambik, all die tollen Menschen und mein Projekt sehr vermissen!
Maputo, von Sommer 2016 bis Sommer 2017
Irgendwie kann ich es noch gar nicht richtig glauben, dass mein Jahr hier in Ecuador schon fast vorbei ist. Zumal ich einfach so viele Jahre auf das Ganze hin gefiebert habe. Andererseits habe ich hier jedoch so viele Erfahrungen gemacht, von denen ich teilweise nicht gedacht hätte, dass ich sie machen würde. Doch das ist ein Teil des Jahres, über den ich so unfassbar froh bin. Ich habe das Gefühl, dass mich dieses Jahr wahnsinnig weiter gebracht hat.
Trotzdem muss ich sagen, dass ich es schwer finde zu sagen, was ich auf einer fachlichen Ebene gelernt habe. Denn ich habe nicht das Gefühl, dass das so der Fall war. Das war aber, um ehrlich zu sein, jetzt auch nicht meine Intention für das Jahr. Ich wollte nach 13 Jahren Schule mal auf eine etwas andere Weise Dinge lernen und nicht immer den Fokus auf die reine Wissenserweiterung haben. Natürlich habe ich die eine oder andere Sache mitgenommen aus meiner Arbeit. Zum einen hat es mir mal wieder gezeigt, wie wichtig Geduld in der Arbeit mit Behinderten ist. In diesem Punkt war es einfach sehr schön zu sehen, mit welcher Hingabe das Personal von Sinamune mit den Klienten umgeht. Es handelt sich dabei echt um einen Ort, an dem jeder so angenommen wird, wie er ist. Diese Erkenntnisse sind für mich aber auch eher auf einer persönlichen Ebene relevant.
Ich glaube, dass ich insgesamt auf der persönlichen Ebene viel mehr gelernt habe. Zum einen bin ich deutlich entspannter geworden, da hier vieles einfach nicht so funktioniert wie geplant. Doch das muss nicht immer schlimm sein. Denn ich habe gelernt, mich in solchen Situationen weniger aufzuregen und die Situationen manchmal einfach so hinzunehmen oder kreative Lösungen dafür zu finden. Außerdem bin ich auch viel selbständiger und selbstsicherer geworden. Hier sind meine Freunde und Familie nicht immer vor Ort, um mir zu helfen. Natürlich rede ich mit ihnen und sie versuchen mich zu unterstützen und mir zu helfen. Doch am Ende des Tages bin nur ich die, die hier vor Ort ist und das Ganze klären kann.
Diese Verantwortung hat einfach dazu geführt, dass ich in meinen Ideen, Plänen und Vorstellungen deutlich selbstsicherer bin. Aus diesen Gründen würde ich sagen, dass meine persönliche Entwicklung weitaus größer ist als meine fachliche.
Meine Gast- beziehungsweise Wohnsituation ist eine Mischung aus einer Wohngemeinschaft und einer Gastfamilie. Ich wohne zwar an sich in einer Wohngemeinschaft mit anderen internationalen Freiwilligen, doch gleichzeitig habe ich auch noch eine Gastfamilie. Die Mischung aus diesen beiden Dingen ist meiner Meinung nach perfekt. Denn dadurch, dass ich in der Wohngemeinschaft wohne, bin ich in vielen Dingen ungebundener und kann mich freier bewegen.
Momentan besteht unsere Wohngemeinschaft aus nur drei Personen, zwei italienischen Freiwilligen und mir. Doch über das Jahr verteilt hatten wir im Wechsel drei Franzosen und zwei Argentinier. Dadurch, dass wir jetzt dann schon seit zehneinhalb Monaten zusammen wohnen, wird es wahnsinnig komisch, sich nicht mehr täglich zu sehen. Auch vor dem voneinander Verabschieden habe ich schon wirklich etwas Angst, da ich die beiden wahnsinnig vermissen werde. Natürlich gibt es auch Momente, in denen ich eher genervt bin, weil schon wieder ganz viel Zeug herum steht. Doch zum Glück verstehen wir uns alle echt super gut, so dass es einfach ist, Dinge die einen stören offen anzusprechen und dann zu klären. Ich bin echt unfassbar froh, die beiden kennengelernt zu haben. Denn wenn nicht durch diesen Freiwilligendienst, dann wären wir uns ziemlich sicher nicht begegnet. Die ersten beiden Französinnen, mit denen wir zusammen gewohnt haben, waren ebenfalls unfassbar nett, und wir fünf hatten eine super lustige und harmonische Zeit für die 3 Monate, die wir zusammen gewohnt haben. Insgesamt bin ich echt wahnsinnig froh, dass ich diese Erfahrung machen darf, mit Leuten aus anderen Ländern zusammen zu wohnen. Denn die Freundschaften, die ich so geschlossen habe, sind wirklich etwas sehr Besonderes.
Das ist die eine Seite meiner Gastsituation. Die andere ist die Gastfamilie, bei denen ich zwar nicht mit im Haus wohne. Trotzdem unternehmen wir vor allem am Wochenende oft Ausflüge zusammen, und mit meiner Gastmama und Gastschwester gehe ich auch zwei- bis dreimal in der Woche zum Sport. Auch an Feiertagen laden sie mich immer ein, um mit ihnen und dem Rest der Familie den Tag zu verbringen. Somit würde ich sagen, dass ich das Beste aus beiden Situationen habe.
Inzwischen denke ich, dass ich mich sozial integriert habe. Doch ich muss gestehen, dass mir das vor allem am Anfang echt etwas schwer gefallen ist. Zum einen konnte ich die Sprache kaum, und zum anderen hatte ich in der Freizeit nicht so wahnsinnig viele Berührungspunkte mit Einheimischen.
Natürlich hatte ich in der Arbeit mit meinen Kollegen Kontakt, aber da kaum einer von denen Englisch beherrscht und ich wie gesagt am Anfang kaum Spanisch konnte, war die Verständigung etwas schwerer. Deswegen hab ich zu Beginn vor allem etwas mit den anderen Freiwilligen gemacht. Dabei gab es zum einen keine so große Sprachbarriere, und zum anderen konnten diese am allerbesten meine Sorgen verstehen. Auch inzwischen sind die anderen Freiwilligen auch immer noch eine meiner wichtigsten Bezugsquellen. Aber inzwischen habe ich auch ein paar Leute hier in Ecuador gefunden, die ich als gute Freunde bezeichnen würde. Ein paar von denen habe ich in der Arbeit kennengelernt. Doch meinen engsten Freund habe ich durch einen lustigen Zufall über eine Freundin aus Deutschland getroffen. Auch jetzt noch habe ich keinen riesigen Freundeskreis hier, aber dafür habe ich inzwischen ein paar wirklich gute Freunde gefunden. Darüber bin ich echt unfassbar dankbar. Ich habe daraus gelernt, und jedem, der sich wie ich am Anfang Sorgen darüber macht, würde ich raten, sich nicht so zu stressen und abzuwarten. Denn wenn man dem Ganzen Zeit gibt und offen gegenüber neuen Personen ist, wird das schon.
Zu meinem Projekt Sinamune kann ich sagen, dass den Freiwilligen, wenn sie möchten, sehr viele Türen offen stehen, um sich einzubringen. Zum einen gibt es da den musikalischen Bereich. Dabei gibt es zumindest teilweise die Möglichkeit, die Lieder, die man den Schülern beibringt, selber zu entscheiden. Zum anderen werden aber auch in den einzelnen Klassen eigentlich immer gerne Ideen für Aktionen entgegen genommen. In meiner Zeit in Sinamune hab ich nie ein Nein von einem Lehrer zu einer Idee von einem Freiwilligen gehört. Die wahrscheinlichere Reaktion ist eher der komplette Gegensatz, sie sind wahnsinnig begeistert und unterstützen einen in der Vorbereitung und Umsetzung. Auch das Anfordern von Materialien ist kein Problem und wurde in meinem Fall beispielsweise immer genehmigt. Dadurch, dass Sinamune schon seit mehreren Jahren internationale Freiwillige und Praktikanten von der Universität hat, sind sie es sehr gewohnt, mit ihnen umzugehen und sie in den Unterricht mit einzubeziehen. Ein anderer Grund, der diese Offenheit den Plänen gegenüber begünstigt ist, dass es eine Einrichtung für behinderte Erwachsene ist und somit keinem strikten Lehrplan folgen muss. In den mehr akademisch ausgerichteten Klassen überlegen sich die Lehrer natürlich schon, was sie genau den Schülern vermitteln wollen. Doch in den Klassen, in den ich gearbeitet habe, war der Fokus auf den motorischen Fähigkeiten der Schüler.
Die Arbeit mit dem Team hat mir wahnsinnig gut gefallen. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich vom ersten Tag an mit offenen Armen empfangen. Deswegen hat die Arbeit innerhalb des Teams fast immer reibungslos funktioniert. Das Einzige, was wirklich teilweise in der Teamarbeit zu bemängeln war, ist dass die Kommunikation nicht immer so toll funktioniert hat und ich deswegen viele Infos erst kurz vor knapp erfahren habe. Natürlich haben auch vor allem zu Beginn sprachliche Barrieren dazu gehört. Doch mein Klassenlehrer und damit erster Ansprechpartner war sehr nett und hat mir gegebenenfalls nochmals alles erklärt. In vielen Momenten hat sich das Team mehr wie eine kleine Familie angefühlt, und ich bin echt froh, dass ich zumindest temporär ein kleiner Teil sein durfte. Das sind echt besondere Freundschaften, die ich dabei geschlossen habe. Ich weiß auch jetzt noch, dass ich dort jederzeit wieder willkommen bin.
Ich bin mir, um ehrlich zu sein, nicht sicher, ob ich so einen großen Einfluss hatte. Doch was ich sicher erreicht habe ist, dass ich den Lehrern etwas Arbeit abgenommen habe. Zum anderen hab ich das Gefühl, dass ich für die Behinderten den einen oder anderen Moment einfacher, schöner und lustiger gemacht habe. Insgesamt hatte ich vielleicht nicht den größten Einfluss, doch ich glaube auch, dass die kleinen Momente wichtig sind.
Im Voraus hatte ich, um ehrlich zu sein, gar nicht so viele Vorstellungen von meinem Auslandsjahr. Ich hab mehr gehofft, dass es einfach mal ein ganz anderes spannendes Jahr wird. Natürlich habe ich von allen, die schon mal so ein Jahr gemacht haben, gehört, dass einen so etwas verändert. Aber das ist einfach schwer zu verstehen, wenn man nicht in der gleichen Situation steckt. Deshalb wurden die Vorstellungen von diesen Jahr und welche Wirkung es auf mich hat bei Weitem übertroffen. Ich habe, glaube ich, noch nie so viel wie in diesem Jahr über mich als Person gelernt. In einer Weise bin ich immer noch genau die gleiche Person wie vor zehn Monaten. In einer anderen Weise habe ich mich auch wahnsinnig weiterentwickelt und verändert. Aus meinen jetzigen Erfahrungen kann ich deswegen nur allen empfehlen, so ein Auslandsjahr zu machen.
Klar gibt es Dinge, die ich mir davor vielleicht etwas anders vorgestellt habe. Ein Beispiel dafür ist, dass ich am Anfang dachte, ich lebe zusammen mit einer Gastfamilie. Doch nach einem kurzen Schock-Moment habe ich gelernt, meine jetzige Situation in vollen Zügen zu genießen. Es gab jedoch viele kleinere Momente, die in der Situation wichtig waren, doch inzwischen abgehakt sind, und ich mich deswegen nicht mehr daran erinnern kann. In diesen Momenten muss man meiner Meinung nach einfach möglichst offen an die Situation heran gehen. Mir hat es auch viel geholfen, in solchen Situationen zu schauen, wie die Menschen hier mit dem Ganzen umgehen. Natürlich war das teilweise nicht meine Vorstellung, doch das muss ja nicht immer heißen, dass meine Vorstellung oder Lösung zwingend besser ist. Insgesamt würde ich sagen, dass eines der wichtigsten Dinge, die ich dieses Jahr gelernt habe, die Erkenntnis ist, dass es viele Möglichkeiten, Ansichten und Lösungen gibt. Diese entsprechen vielleicht nicht meiner Meinung, aber deswegen sind sie nicht weniger wert als meine eigenen.
Außerdem kann dieser Perspektivenwechsel sehr hilfreich sein, da die eigenen Probleme dadurch vielleicht nicht mehr so gravierend und belastend erscheinen. Zum anderen tut einem von Zeit zu Zeit ein Perspektivenwechsel ganz gut. Dann bleibt man weniger in seinem eigen Trott und seinen Denkweisen stecken.
Für mich persönlich war es am Wichtigsten zu wissen, dass ich im Notfall immer jemanden im Land habe, den ich kontaktieren kann. Während dem Jahr habe ich dann vor allem mit meiner Gastfamilie und mit meinen Freiwilligen über meine Probleme geredet. Doch natürlich wusste ich auch immer, dass ich, wenn ich möchte, mit Vase oder Icja reden kann. Deshalb würde ich sagen: ich habe die Unterstützung, die ich wollte, immer sowohl von Vase als auch von Icja bekommen.
Im Nachhinein finde ich es immer etwas schwierig zu sagen, was ich konkret anders gemacht hätte - da ich zum einen keine wirkliche Situation in diesem Jahr hatte, die ich wirklich bereue. Außerdem wäre ich ohne diese zum jeweiligen Zeitpunkt nicht so schönen Momente nicht an dem Punkt, wo ich gerade bin. Deshalb bin ich über alle Momente, die ich in diesem Jahr erlebt habe, unfassbar froh. Ich finde auch, um ehrlich zu sein, dass diese ganzen „was-wäre-wenn-Gedanken“ nicht wirklich hilfreich sind. Natürlich habe ich nicht so optimale Momente reflektiert und versucht daraus zu lernen. Doch danach ist es auch wichtig, das Ganze abzuschließen und in die Zukunft zu blicken. Das versuche ich inzwischen auch schon zu machen, da mein Freiwilligenjahr hier in Ecuador leider schon fast vorbei ist. Doch die Erfahrungen und die Freundschaften, die ich hier geschlossen habe, werde ich immer mit mir herumtragen. Und zum „Leidwesen“ aller zu Hause gebliebenen werde ich auch nach meiner Rückkehr allen andauernd davon erzählen.
Ecuador, von Januar 2017 bis Januar 2018
Unglaublich, aber mein Auslandsjahr neigt sich dem Ende zu. In weniger als einer Woche werde ich wieder Zuhause sein. Was ich davon halten soll, weiß ich selber nicht und ich habe das Gefühl in meinem Innern bin ich hin- und hergerissen zwischen Vorfreude auf meine Familie, Freunde und mein Zuhause und Traurigkeit meine Freunde und mein neues, zweites Zuhause zurücklassen zu müssen.
Ich glaube ich habe nie damit gerechnet, mich hier so wohl zu fühlen, dass ich ohne weiteres länger bleiben würde. Mir nie darüber Gedanken gemacht, dass es, wenn ich hier Abschied nehme, einen Abschied für länger sein würde. Vermutlich war ich zu beschäftigt mir Sorgen zu machen, wie ich über das Heimweh nach meinem deutschen Zuhause hinwegkommen soll.
Diese Woche war meine letzte Arbeitswoche, ich habe nochmals alle meine Klienten besucht, die mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen sind, und von ihnen Abschied genommen. Wer weiß für wie lange? Wo immer ich momentan hingehe, habe ich den Gedanken im Hinterkopf: Vielleicht ist das, das letzte Mal, dass...
Trotz all dem habe ich jedoch mittlerweile das Gefühl es ist Zeit aufzubrechen. Ich nehme an, das liegt daran, dass die meisten meiner Mitfreiwilligen aus dem Projekt bereits wieder nach Hause sind. Von den ursprünglichen 12 Freiwilligen sind, mich eingeschlossen, nur noch drei übrig. Wir werden nächste Woche gemeinsam gehen und dann kommt eine neue „Generation“ Freiwilliger. Ich vermisse die anderen Freiwilligen sehr. Wir haben zwar nicht gemeinsam gearbeitet, jede/r Freiwillige/r arbeitet in diesem Projekt alleine mit den ihr/ihm zugeteilten Klienten/Klientinnen, aber wir haben uns regelmäßig getroffen. So habe ich nicht direkt in einem Team sondern selbstständig gearbeitet, was mir jedoch meistens gut gefallen hat. Man trägt die Verantwortung dann größtenteils alleine, hat aber auch mehr Freiheit. Dafür haben wir Freiwilligen in unserem Projekt zusammen gewohnt. Von uns zwölf Freiwilligen wohnten in einem Haus, zwei in einem anderen Haus und die restlichen vier in einer Wohnung. Ich habe mit drei anderen in der Wohnung gewohnt, was mir sehr gut gefallen hat. Möglicherweise hatten wir es einfacher, da wir ähnliche Ansprüche hatten was Sauberkeit und Sonstiges anging. Zu Beginn des Jahres, wohnte ich mit einem Freiwilligen aus Südkorea, einer Freiwilligen aus England und einer deutschen Freiwilligen zusammen. Mit dem Mädchen aus Deutschland habe ich mir das Zimmer geteilt. Am Anfang war ich etwas erschrocken. Ein Jahr das Zimmer zu teilen, das konnte ich mir nicht wirklich vorstellen. Wie sich herausstellte, war das allerdings sehr gut für beide von uns. Natürlich schränkt das Zimmerteilen auf eine gewisse Weise ein, um aufeinander Rücksicht zu nehmen muss man sich in vielerlei Hinsicht anpassen und trotzdem: Aus unserer Wohngemeinschaft hat sich eine wunderbare Freundschaft entwickelt. Wir sind überzeugt wir hatten Glück aber ich glaube auch mit einer anderen Person ein Jahr das Zimmer zu teilen schweißt zusammen. Auch mit den anderen Mitbewohnern bildete sich eine besondere Art Freundschaft, die aber auch eine Art Familie bildete. Nach der Arbeit saßen wir Freiwilligen oft gemeinsam im Wohnzimmer unserer Wohnung und redeten bis spät in den Abend. Es war gemütlich und ich habe mich wirklich wie zu Hause gefühlt. Da erwischte ich mich nach einigen Monaten dabei, von London als mein „Home“ zu sprechen, dabei war für mich mein Zuhause in Deutschland immer etwas sehr besonderes, das ich wertschätzte und liebte (was ich zweifellos immer noch tue) und als unvergleichbar hielt, ich hätte mir nie erträumt London als Zuhause anzusehen.
Ich glaube ich habe in diesem Jahr unglaublich viel gelernt, sowohl auf fachlicher als auch persönlicher Ebene. In meiner Arbeit mit Menschen mit Behinderung oder Erkrankungen wie Demenz habe ich viel über den Umgang mit solchen Menschen mit besonderen Bedürfnissen gelernt. Gerade durch das Zeitverbringen mit Demenzerkrankten habe ich vor allem gelernt geduldig zu sein. Außerdem hat diese Arbeit mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Dinge über die man sich als gesunder Mensch keine Gedanken machen muss wie zum Beispiel ob das Museum einen Aufzug hat, damit man mit dem Rollstuhl in den zweiten Stock kommen kann.
Des Weiteren hatte ich die Möglichkeit einen Einblick in die verschiedensten Kulturen Londons und persönlichen Geschichten der Menschen zu bekommen da ich die Menschen mit denen ich gearbeitet habe, in deren Zuhause besucht habe. Auch durch das Zusammenleben mit den anderen Freiwilligen aus verschiedenen Ländern und die Reisen um das Land besser kennenzulernen, die ich zu meist mit anderen Freiwilligen aus Ecuador, Mexiko, Taiwan und Kolumbien unternommen habe, habe ich eine Menge über deren Traditionen und Heimatländer gelernt.
Ich glaube ich habe in diesem Jahr wundervolle Freundschaften geschlossen, sowohl mit anderen Freiwilligen, als auch mit meinen Klienten. Die Arbeit mit diesen Menschen hat mir zu meist sehr gefallen. Alle meine Klienten waren zwischen siebzig und hundertundeines Jahre alt und die Art wie wir den Tag gemeinsam gestalteten hing sehr von der jeweiligen Person ab. Da gab es die Lady in ihren Achtzigern, die den ganzen Tag Karten gespielt hatte. Sie brachte mir ihr Lieblingskartenspiel bei, das wir von da an jedes Mal gemeinsam spielten.
Mit einer anderen Lady in ihren Neunzigern war ich immer im Greenwich Park spazieren. Sie wollte zuerst nie nach draußen und befürchtete immer es würde regnen, saß sie dann allerdings in ihrem Rollstuhl und war im Park konnte sie gar nicht mehr aufhören mit Schwärmen über all die Blumen und Vögel um sie herum und erzählte den restlichen Tag ihrer ganzen Familie, wie wundervoll unser Ausflug in den Park gewesen war.
Ich glaube, sowohl meine Klienten als auch ich, haben die Zeit gemeinsam größtenteils genossen. Es gab natürlich auch schwierigere Tage, gerade mit Klienten, die an Alzheimer erkrankt waren kam ich manchmal an meine Grenzen, aber die meisten Erinnerungen die ich habe sind schön. Und selbst wenn der Tag mal schwierig war so hatte doch die Person, die sich um meine/n Klient/in kümmert eine Pause gehabt.
Mein Auslandsjahr war im Nachhinein betrachtet anders als erwartet. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, was genau ich erwartet hatte, aber ich kann mir nicht vorstellen erwartet zu haben, dass es so wunderbar werden würde.
Natürlich hatte ich darauf gehofft ein gutes Jahr zu haben, aber getrennt von meiner Familie und meinen Freunden schien es mir schwer vorstellbar, dass dieses Jahr eins, wenn nicht gar das beste Jahr meines Lebens werden würde. Ich hatte im vergangenen Jahr so viele wunderbare Begegnungen, so viele liebe Menschen die mir halfen, und ich bin unglaublich dankbar für all die Unterstützung die ich bekommen habe. Hierbei erinnere ich mich zum Beispiel an eine Lady aus dem Chor der Universität in Greenwich in dem ich Mitglied war. Dieser Dame, erzählte ich, zu Beginn des Jahres, das ich das Klavierspielen vermisse, da ich in London bisher keine Möglichkeit zum Spielen gefunden hatte. Sie fragte zuerst einige andere Mitglieder des Chors, die aber auch keine Lösung wussten und bot mir dann ohne Zögern ihr eigenes E-Piano an. Sie meinte ich könne es abholen und für einige Monate ausleihen, gab mir ihre Adresse und eine Woche später fuhr meine Supervisorin, außerhalb ihrer Arbeitszeit, mit mir zu der Adresse um das Klavier zu unserer Wohnung zu bringen. Diese und viele weitere Gesten werde ich für immer in meinem Herzen behalten und ich hoffe, wenn sich die Gelegenheit bietet, Ähnliches für andere tun zu können.
Durch all diese Gesten, die mir gegenüber gezeigt wurden, fühlte ich mich sehr Willkommen und das half mir mein Heimweh zu überkommen, womit ich ehrlich gesagt nicht gerechnet hatte. Ich denke dadurch konnte ich die Zeit und das Leben in London umso mehr genießen. Was mich in diesem Auslandsjahr auch sehr überrascht hatte war mein Projekt. Da die Projektbeschreibung, die ich erhalten hatte sehr veraltet war, rechnete ich mit einer völlig anderen Wohnsituation und Arbeit. Als ich dann tatsächlich in dem Projekt ankam war ich sehr überrascht, stellte aber bald fest, dass mir diese Situation sehr gut gefiel.
In meinem Projekt wurde ich von meiner Supervisorin Maria unterstützt, die besser hätte nicht sein können. Ich hatte immer das Gefühl zu ihr kommen zu können, auch außerhalb der Arbeit, wie mit dem Klavier. Sie war immer verständnisvoll und hat mir sehr dabei geholfen mich wohlzufühlen und in London und dem Projekt anzukommen. Eine weitere sehr große, wenn nicht gar die größte Unterstützung waren für mich die anderen Freiwilligen. Angefangen mit meinen MitbewohnerInnen bis hin zu den anderen Freiwilligen, die immer für mich da waren. Was mir auch geholfen hat waren die Seminare des ICYEs. Dadurch, dass es zu Beginn des Jahres ein Camp gab, lernte ich meine späteren Freunde kennen. Auch das Team des ICYEs war immer hilfsbereit und für mich da. Und natürlich auch meine Familie und Freunde aus Deutschland, die mich immer unterstützt haben und für mich da waren.
Ich bin so dankbar für all die Unterstützung, die man mir während des vergangenen Jahres angedeihen hat lassen und für die Möglichkeit dieses Jahr erlebt haben zu dürfen.
Eines meiner Ziele welches ein Grund für meinen Wunsch einen Freiwilligendienst leisten zu wollen war, habe ich auf jeden Fall mehr als erreicht: Ich habe unglaublich vieles gelernt, was man nicht aus Büchern lernen kann.
London, von Sommer 2016 bis Sommer 2017
Jetzt, wo ich wieder in Deutschland bin, wird mir klar wie sehr ich mich an die Lebensweise in Indien gewöhnt habe und wie schwer es ist, dass ganze Jahr Revue passieren zu lassen und verarbeiten zu können.
Ich glaube, dass diese Erfahrung, welche ich dort gemacht habe, eine der wichtigsten in meinem ganzen Leben seien wird. Ich habe zu schätzen gelernt! Den Momenten eine Bedeutung gegeben und meinen inneren Frieden gefunden. Ich renne jetzt nicht mehr von Moment zu Moment und versuche den vorherigen zu überbieten. Es ist als wäre ich ein neuer Mensch.
In einem ganzen Jahr passieren viele Dinge im Projekt, manche sind leider nicht so schön, doch genau aus einem dieser habe ich eine wichtige Erfahrung gezogen. Zwar war ich nur indirekt an der Situation beteiligt, doch Sie hat mir gezeigt, wie wichtig Vertrauen seien ist. Wir wurden darauf vorbereitet, dass die Personen im Ausland die Situationen anders händeln, als wir es aus unser europäischen Erfahrung für Richtig erachten. So gab es eine Situation im Projekt, wo zwei Jungen in eine Wurzel gebissen haben und sich danach stundenlang übergeben mussten. Unsere Hausmeisterin (Suman) im Projekt hat den beiden Jungen, dann ein Glas Salzwasser und drei große Jungen als Aufpasser zur Seite gestellt. Sie selbst ist zu den anderen 60 Kindern gegangen um diese zu unterhalten, damit keine Panik ausbricht. Diese Situation hat eine Mitfreiwillige aus unserem Projekt als Falsch aufgefasst, da Sie der Meinung war, dass die Kinder ärztliche Hilfe benötigen. Im Nachhinein hat es sich aufgeklärt, dass die Wurzel nicht giftig ist und Suman dies wusste, da ein vergleichbarer Vorfall in der Vergangenheit stattgefunden hat. Auch wenn die Menschen in dem Gastland anders handeln als wir es aus unserer Wertvorstellung und Erfahrung tun würden, ist es nicht falsch und fahrlässig. Mir hat es gezeigt, dass unsere Bewertungsmaßstäbe nicht ausreichen diese kritischen Situationen vollumfänglich zu bewerten. Die Einheimischen blicken auf eine viel größere Erfahrung im Zusammenleben mit diesen Kindern zurück, als wir je in einem Jahr machen könnten. Diese Situation hat mich dazu bewegt den Menschen in meiner Umgebung mehr zu zeigen, dass ich Ihnen vertraue. Denn auch die Lehrer in unserem Projekt haben uns Ihr Vertrauen gezeigt, indem Sie die Freiwilligen zu jedem Teachersmeeting eingeladen haben und sich angehört haben, was wir zu erzählen haben. Dies steigert sehr den Wert des Freiwilligen, denn dieser fühlt sich als wichtiger Bestandteil des Teams und des Projektes. Mir persönlich hat es sehr viel Spaß gemacht, sich mit den Lehrern auszutauschen, da Sie dir öfter auch ein Feedback zu deiner Arbeit gegeben haben. Doch auch die Kommunikation mit den Mitfreiwilligen hat sehr gut geklappt. So habe ich die Fußballmannschaft, welche von dem Freiwilligen vor mir aufgebaut wurde weitergeführt und habe gelegentlich Fußballspiele gegen andere Schulen organisiert. Worauf ich besonders stolz bin ist, dass ich die Mädchen in unserem Projekt für Fußball begeistern konnte und ein Team aufbaute, welches fast ebenbürtig den Jungs gegenüber stand. Leider habe ich es zeitlich nicht mehr geschafft dem Mädchenteam ein Spiel gegen eine andere Schule zu ermöglichen, doch habe ich dies mit dem nächsten Freiwilligen schon besprochen, welcher mir versprochen hat sich gerne darum zu kümmern.
Zudem habe ich mich mit den Lehrern über einen First-Aid-Plan ausgetauscht und eine medizinische Erstversorgung bei Unfällen organisiert. Die Wohnsituation war am Anfang des Jahres ein wenig kompliziert, da das Projekt nicht auf die Zahl der Freiwilligen vorbereitet war. So habe ich mit einem anderen Freiwilligen die ersten 2 Monate in dem Science-Lab der Schule geschlafen, welches wir leider nicht abschließen konnten. Die Kinder haben sich meistens an die Absprache gehalten, dass dieser Raum für sie jederzeit Tabu ist. Gleichzeitig wurde schnellstens an einer anderen Unterbringung gearbeitet. Nach zwei Monaten sind in unserem Projekt die neuen Schlafsäle in den Containern frei geworden und wir konnten mit den Kindern unsere eigenen Zimmer beziehen. Jeder Volunteer hatte ein abgetrenntes Zimmer zu dem Schlafsaal der Kinder, sodass man sich jederzeit auch mal zurückziehen konnte. Dennoch haben wir die meiste Zeit in der Woche mit den Kindern verbracht und auch am Wochenende, wo die Kinder nach Hause gegangen sind, haben die Volunteers, George und Suman (+Nithin/Sohn) in der Küche zusammengesessen und sich unterhalten. Ich hatte zwar nie großen Kontakt zu Personen außerhalb unseres Projektes, doch zu den wenigen habe ich einen guten Kontakt gepflegt.
Ich habe viel Unterstützung von jeder Möglichen Seite erhalten, gerade zu der Zeit (Unfall) als ich Sie gebraucht habe. Ich habe nicht erwartet, dass sich das Auslandsjahr so hilfreich für mein weiteres Leben erweist und auch nicht dass ich mich so verändern würde. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Schritt in ein fremdes Land gemacht habe. Abschließend würde ich sagen, war das Auslandsjahr für mich eine großartige Erfahrung. Man lernt so viele unterschiedliche Menschen kennen. Alle kommen wo anders her, sprechen andere Sprachen, kommen aus anderen Kulturen und doch hat man mit allen etwas gemeinsam. Man ist zusammen in Indien, teilt die gleichen Probleme und Erfolgserlebnisse. Ich hoffe sehr, dass viele Freundschaften die ich hier geknüpft habe noch lange halten werden. Ich habe im Internet einen Satz gefunden, welchen ich sehr gut finde, denn er spiegelt, das wieder was ich hier beschreibe. „ Es ist nicht ein Jahr in einem Leben, es ist ein Leben in einem Jahr“!
Danke.
Indien, von Sommer 2014 bis Sommer 2015
Meine Zeit in Ghana rennt dem Ende entgegen und damit ein wichtiger Abschnitt meines Lebens. Was genau das aber bedeutet, was „meine Zeit in Ghana“ überhaupt war und für fünf verbleibende Tage noch ist, ist mir noch nicht wirklich bewusst und das bewusste lässt sich nur schwer in Worte fassen, bin ich doch mitten im Leben, im neuen entdecken, lernen, ausprobieren, genießen. Bin ich das natürlich nicht nur in Ghana, sondern in Deutschland ganz genauso und hoffentlich mein ganzes Leben lang.
Je länger ich in Ghana war, desto intensiver wurde es für mich, desto mehr habe ich kennengelernt, verstanden, miterlebt und mich selbst eingebracht.
In meinem Projekt, der Sygma Child School, hatte ich sehr viele Möglichkeiten, mich einzubringen. Der Besitzer der Schule, mein Ansprechpartner, von allen allgemein „Grandpa“ genannt, war immer offen für Idee.
Zu Beginn habe ich hauptsächlich die Projekte der Vorfreiwilligen übernommen, von denen zwei noch ein halbes Jahr mit mir zusammen da waren. Das hieß Phonics Unterricht in den unteren Klassen, Projektunterricht in den oberen Klassenstufen und Examen tippen. Besonders der Phonics Unterricht lag mir eigentlich nicht, aber gerade durch ihn habe ich selbst viel mehr Gespür für die Aussprache und Rechtschreibung der englischen Sprache bekommen und mich im Zeichnen geübt.
Ich wurde mit der Zeit immer sicherer mit der englischen Sprache und es hat das Unterrichten erleichtert nach und nach gewisse Schlagwörter und Redewendungen der anderen Lehrer_innen und des allgemeinen Sprachgebrauchs, so wie passende Vergleiche und Beispiele zu kennen und zu übernehmen. Auch sind meine Ansprüche an eine ganz ruhige Klasse gesunken und gleichzeitig wurde ich selbst ruhiger und weniger gestresst. Obwohl ich immer besser spontan reagieren und mich auf die Stimmung der Klasse einlassen konnte hätte ich mir von mir selbst gewünscht sich ergebende Situationen, wie z.B. eine Klasse bei der ein_e Lehrer_in aus Krankheitsgründen o.ä. abwesend ist, besser bzw. überhaupt nutzen zu können.
Viel Freude hat mir mein eigenes Projekt, eine mobile Bücherei, bereitet. Es gab bereits einige Kinderbücher und ich hab noch zusätzliche gekauft, die ich dann immer zur ersten Pause, nach Schulschluss und ganz vereinzelt auch in Unterrichtsstunden rausgebracht habe und wo alle Schüler_innen von der 1.Klasse bis zur Junior high School 3 lesen konnten.
Insgesamt hat es vor allem geholfen sich mit den Lehrer_innen zu verständigen, zusammenzuarbeiten. Die meisten Ideen z.B. das Bereitstellen einer suggestion box, Aufklärungsunterricht, ein story writing club, eine Brieffreundschaft mit einer Schule in Deutschland und die Teilnahme an einer essay writing competition in Ghana hätte ich niemals alleine umsetzen können. Viele der Ideen kamen auch erst im Gespräch mit Lehrer_innen.
Aus manchen gemeinsamen Aktionen sind gegen Ende enge Freundschaften entstanden. Leider zum Großteil wirklich erst in den letzten zwei Monaten, weil meine Scheu Lehrer_innen auch zuhause zu besuchen anfangs sehr groß war und die Meisten ihr Geld nicht fürs Ausgehen verwenden und nicht genug verdienen, um in dem Stil zu reisen und unterwegs zu sein, in dem ich es war. Somit waren gemeinsame Unternehmungen selten.
Es fiel mir lange schwer zu verstehen, was Freundschaft für viele hier bedeutet. Nicht unbedingt, dass einen wildfremde Menschen, die gerade zufälligerweise neben einem sitzen oder an einem vorbeilaufen sofort als Freund bezeichnen und Telefonnummern austauschen wollen, sondern vor allem, wie Freunde sich untereinander nach Geld und Sachgegenständen fragen. Eigentlich finde ich den Gedanken, dass man etwas gibt, wenn man was hat sehr schön. Und das kann dann auch die Krankenhausrechnung der Tochter eines Freundes, das Handy der Freundin oder natürlich Essen für jeden, der gerade vorbeikommt, sein. Sich gegenseitig zu unterstützen macht auch viel Sinn und ist an vielen Stellen nötig, da z.B. die Krankenversicherung nur bestimmte Krankheiten und Medikamente abdeckt, es kein Arbeitslosengeld gibt etc. Trotzdem bleibt es mir durch meine kulturelle Prägung unangenehm und wirkt fast unverschämt, wenn ganz offen unter Freunden, Familie und Bekannten nach Geld oder Geschenken gefordert wird und man zum Geben gewissermaßen verpflichtet ist.
Gleichzeitig fand ich es immer wieder super schön und faszinierend wie sehr man sich auch in anderen Dingen unterstützt, dass wenn der eine z.B. gerade kurz irgendwo hin weg muss auch mal schnell der beste Freund die Wäsche weiterwaschen kann und wenn der weg muss übernimmt eben der Bruder.
Ebenfalls zum Großteil entgangen ist mir leider die Sprache. Ich habe nur sehr, sehr wenig Twi gelernt. Das lag einerseits daran, dass es im Schulalltag verboten war Twi zu sprechen und andererseits daran, dass ich auch alles problemlos auf Englisch erledigen konnte.
Zum Integrieren hat es sehr geholfen, dass Madam Belinda, eine Lehrerin, zusammen mit den fünf Schüler_innen der junior high school 3 im Februar bei mir eingezogen ist. Wir haben öfter zusammen gekocht, Fernsehen geguckt, getanzt und einfach Zeit verbracht. (Da ich sonst immer für mich selber gekocht habe fiel das meistens recht deutsch aus.) Zusammen mit Leticia, einem siebenjährigem Mädchen, dass auch auf dem Schulgelände lebt, haben sie mir viel über die ghanaische Kultur, Geschichte und Spiele beigebracht. Als die Schüler_innen im Juni nach ihren Abschlussprüfungen wieder ausgezogen sind musste ich mich erst wieder an die Stille gewöhnen und sie fehlen mir immer noch, auch wenn sie von Zeit zu Zeit zu Besuch kommen.
In den großen Städten wie Accra und Kumasi scheint es eine Vielzahl an Aktivitäten, Wettbewerben, Programmen etc. in ganz verschiedenen Bereichen für Schüler_innen zu geben, in Nsawam gibt es bisher aber leider kaum Außenstellen dieser Gruppen oder Möglichkeiten zur Beteiligung. Das tut mir sehr leid für die Schüler_innen, denn wir haben sehr viele sehr talentierte Schüler_innen bei uns an der Sygma. Leider haben wir noch keine Möglichkeit zur weiteren Talentförderung gefunden, die über die Schulaufführungen am Ende jedes Terms und einen Ausstellungsraum für Kunstprojekte und Geschichten bei diesen, hinausgehen. Ein Problem dabei stellt auch der Mangel an Computern in der Schule selbst und oft nicht gut funktionierende Internetverbindungen dar. So haben wir Tage gebraucht um die Essays für einen Schreibwettbewerb zum Thema Sanitation abzutippen und per Mail einzusenden.
Jetzt wartet die nächste Herausforderung auf mich. Wieder in Deutschland anzukommen. Es wird sicher nicht einfach, sitze ich doch jetzt gerade im Flugzeug und habe eigentlich in meinem Kopf den Plan dafür, was ich morgen während der Ferienkurse mit den Klassen machen will, sehe ich doch die Bücherkiste vor mir stehen mit all diesen Büchern, die noch mal und noch mal gelesen werden wollen. Aber ich kann nicht mehr sagen hey, die Pause ist vorbei, du kannst es morgen fertig lesen. Morgen sieht anders aus. Wie, das wird sich herausstellen. Sicher ist, dass ein großes Stück Ghana Teil davon sein wird.
Dafür bin ich viel selbstsicherer und selbstständiger geworden und habe gelernt mehr auf mich, auf das, was ich will, zu hören und es umzusetzen, das Leben zu genießen und unabänderliche Dinge zu akzeptieren, die Initiative zu ergreifen, wo ich eine Chance sehe etwas zu tun, aufmerksamer durchs Leben zu gehen, sich mit Leuten zu verbinden und so viele Dinge mehr, für die mir nun wirklich die Worte fehlen.
Es gäbe noch so viel zu erzählen und trotzdem bleibt eigentlich nichts zu sagen, als:
MEDASE PAA!!! (vielen, vielen Dank!)
Ghana, von Sommer 2014 bis Sommer 2015
„Und, wie war’s?“, lautet die berühmte Frage, die mich seit meiner Ankunft bis in den Traum verfolgt. Wie ich ein Jahr mal eben so zusammenfassen soll, das weiß ich immer noch nicht genau. Viele Leute sind glücklich, wenn sie von mir hören „Es war ein tolles, aufregendes Jahr“ und manche, die warten nur darauf zu sagen „Nee, also so etwas, das wäre ja gar nichts für mich…“. Das stört mich aber nur weniger, denn ich bereue es in keinem Stück ein Jahr aus meinem Alltag ausgestiegen zu sein und einen neuen zu Beginnen.
Mein eindrucksvoller Freiwilligen- und Lerndienst in Mosambik hat nun nach 12 Monaten sowohl mit schmerzhaften Abschieden aber auch mit wunderschönen Erinnerungen ein Ende gefunden. Natürlich nicht ganz. Immerhin habe ich meine zweite Heimat, Mosambik, nun nicht einfach hinter mir gelassen. Mosambik, Maputo, meine Gastfamilie, meine Freunde, die Jungs aus dem Projekt, die Menschen auf der Straße, die ungestümen Chapa-Fahrer, die wunderschönen Momente am Meer und viel mehr – all dies begleitet mich noch immer. Im Traum, als auch im Alltag. Ich werde daran erinnert, wenn ich meine Capulanas um meine Hüfte wickle, wenn ich plötzlich in Portugiesisch denke, wenn ich mehr Peri-Peri (Chili-Sauce) in meinem Essen esse als je zuvor, wenn ich tanze wie Mosambikanerinnen, wenn ich nun Euros in Meticais umrechne oder wenn ich merke, dass ich hilfsbereiter, selbstbewusster, selbstständiger, geduldiger und lockerer bin.
Ja, das einprägsamste Jahr in meinem Leben hat mich definitiv geschult, verändert und mir neue Perspektiven und Ansichtsweisen geschenkt.
Mein Jahr fing turbulent an und die größte Herausforderung, die mich direkt begrüßte war „Olà, tudo bem? Fala português?“ (pt. Übersetzt „Hallo, alles klar? Sprichst du Portugiesisch?). Dass man sich anfangs wie ein Außenseiter fühlt, der nicht versteht, ob man jetzt den Topf oder das Huhn aus dem Wohnzimmer holen soll, ob man nach Beruf oder nach Religion gefragt wird oder ob man nun alles richtig gemacht hat oder nicht, das war durch die Sprachbarriere schon quasi vorprogrammiert. Aber das ging auch recht schnell wieder vorbei. Und als ich dann die Sprache auf einem ausreichenden Niveau beherrschte, fiel es mir nicht nur leichter Wörter zu verstehen, sondern es öffnete sich mir auch der Schleier zu der Mentalität vieler Mosambikaner. Als ich dann noch einige wenige Wörter auf Changana (meistverwandte Sprache in Maputo neben Portugiesisch) mit Ach und Krach bilden konnte, öffneten sich oftmals die Herzen der Menschen und sie waren noch freundlicher und gutmütiger. Interesse an der landeseigenen Kultur war immer willkommen und gerne gesehen.
Neben der Sprache tauchte ich auch in die mosambikanische Musik- und Tanzwelt ein und nahm immer wieder an Tanzkursen teil, wo ich unter anderem Marrabenta und Xigubo lernte und eine Leidenschaft für’s Tanzen entwickelte.
Auch wenn meine Gastmama oft vorwurfsvoll fragte welches mosambikanische Gericht ich denn in Deutschland kochen werde, denn ich hätte ja keine Ahnung davon, bekomme ich bestimmt ein paar meiner Lieblingsgerichte (z.B. Matapa oder Couve) so zusammen, dass sie stolz auf mich wäre. Ich muss nämlich zugeben, dass ich zum größten Teil meines Aufenthalts von meiner Gastfamilie mit dem Essen verwöhnt wurde und meistens nur in das Geschehen in die raffinierte mosambikanische Küche hineingeblickt habe (-Danke Mama für das leckerste Hühnchen und den besten Reis und deine stetige Sorge, ob es mir denn wirklich schmecke).
Neben Lektionen wie „Wie ich am besten nicht meine Handynummer vergebe“ und „Wie man die Capulana richtig wickelt“, haben mich Mosambikaner immer wieder fasziniert und belehrt mit ihrer großzügigen Zivilcourage. Jeder interessiert sich irgendwie für jeden und wenn der angetrunkene Mann im Chapa auch nach der 3. Ermahnung nicht aufhört junge Mädchen verbal zu belästigen, dann schauen die Menschen nicht weg, sondern bieten Rückhalt und setzen sich selbst auch ein. An dieser Stelle möchte ich in Gedanken auch nochmal allen Menschen danken, die mit mir im Bus auf dem Weg nach Tofo saßen. Denn als sie mitbekamen, dass meine Freundin und ich, trotz mehrfacher Nachfrage, unser Rückgeld nicht vom Fahrbegleiter zurückbekamen und er uns mit Ignoranz bestrafte, machten sich alle für uns Stark und erklärten ihm, dass diese Art von Ungerechtigkeit derart unangebracht sei, da wir doch alle Geld bräuchten. Auch möchte ich mich bei dem jungen Mann bedanken, der mit so viel Kraft versucht hat, mich abzulenken und mich wieder zum Lächeln zu bringen, nachdem ich gerade einen sehr schlimmen Unfall beobachtet hatte. Oder auch der, der mir Bonbons schenkte, als mir gerade mein Handy geklaut wurde. Genau diese Menschen haben mich geprägt. Einsatzvermögen, Achtsamkeit, Bewusstsein, Respekt, Gelassenheit und Geduld sind einige von den vielen wertvollen Wichtigkeiten, die ich weder am Flughafen lassen konnte, noch wollte.
Überraschenderweise werde ich, zurück in meiner Heimat, eher zweitrangig nach meiner Beschäftigung in Mosambik, nämlich meiner Arbeit im Centro Juvenil Ingrid Chawner, gefragt. Ich rede auch nicht mit vollem Elan darüber, denn mir fällt es schwer ein Resümee zu verfassen. Das Centro Juvenil Ingrid Chawner ist mir mit seinen pfiffigen Jungs, den liebevollen, aber manchmal auch barschen „Mamas“ (die Erzieherinnen) und den Ausflügen und Veranstaltungen sehr ans Herz gewachsen. Es ist ein schönes, herzliches Projekt, dessen Organisation zwar gut ist, aber mich als Freiwillige nur wenig einschloss. Ich bin mir sicher, dass ich noch mehr aus dem Jahr hätte rausholen können, doch mir fehlte die Struktur und noch mehr fehlte mir ein festes Team, mit dem ich hätte zusammenwirken können. Freiwillige und Praktikanten kamen und gingen. Gerade hatte man sich eingearbeitet und einen Plan für die Kids erstellt, da wurde mit einem Kuchen schon wieder Abschied gefeiert und ich blieb alleine zurück mit Freizeitplan und 30 Jungs. Das Projekt ist eigentlich wie geschneidert für Freiwillige: (meist) aufgeschlossene Jungs im Alter von 10-17, große Außenflächen, eine Bibliothek, und ein Chef, der bei Problemen immer ein offenes Ohr hat. Ich konnte mich insbesondere im Lehrbereich austoben und gab Portugiesisch-, Mathematik-, Englisch-, Deutsch-, oder Lese- und Schreibunterricht an die Kinder. Auch waren ein paar Kinder musikalisch interessiert und ich konnte ihnen Bockflöte beibringen. Die Bildung der Kinder war zwar als höchste Priorität herausgeschrieben, in der Realität wurde sie jedoch nur zweitrangig behandelt. Oft wurden die Kinder beim Lernen unterbrochen, um Fenster zu putzen, den Hof zu kehren oder den kaputten Swimmingpool zu reinigen. Auch Gespräche mit der Leitung schienen immer vielversprechend, doch Ziele wurden nur selten umgesetzt und ich verlor nach und nach die Motivation.
Profitiert von dem Freiwilligendienst habe am meisten ich. Oft habe ich mich zwar überflüssig gefühlt, doch letztendlich habe ich viel gelernt und die Zeit im Projekt genossen. Ich bin nur leider keine Einzelgängerin.
Mein absolutes Highlight: A minha família!
Meine Gastfamilie war immer für mich da, immer fürsorglich, rücksichtsvoll und hat mich in ihr Familienleben miteinbezogen. Klar, der Anfang war schwer. Das war es bestimmt bei dem Großteil aller Freiwilligen. Man ist neu, fremd und wird erstmal beobachtet um herauszufinden, wie man mich einschätzen kann. Aber ich wurde direkt am Anfang auf eine 3-tägige Familienzeremonie eingeladen, auf Hochzeiten und Geburtstage mitgenommen und generell wollte man mich bei fast allem dabei haben. Meine Mama Angelica war zwar manchmal distanziert, aber ich wurde trotzdem irgendwann liebevoll von ihr „minha filha“ (pt. Übersetzt „meine Tochter“) genannt, bei Krankheit gab sie mir direkt Ratschläge und im Allgemeinen war sie stets um mein Wohlbefinden besorgt und war eine richtige Mama für mich. Eine noch bessere Tochter wäre ich vermutlich gewesen, wenn ich öfters mal in die Kirche gegangen wäre ;-)
Auch meine Gastgeschwister waren mein Ein und Alles, immer für einen Spaß zu haben und ich erinnere mich zu gerne an rührende Momente, als z.B. meine sechzehnjährige Gastschwester Didi freudetanzend in mein Zimmer hineinstürmte, mir von ihrer gelungenen Klausur erzählte und mir um den Hals fiel oder die Abende als wir zusammensaßen und uns gegenseitig neckten und uns Geheimnisse erzählten. Sie war ein Sonnenschein, genauso wie ihre Nichte Samila, die zweijährige Tochter von meinem Gastbruder Cesar. Sie hat uns so viele freudige Momente geschenkt, Leben in die Familie gebracht und hat ständig mein Zimmer umgeräumt und ist mit meinen Sonnenbrillen durch die Gegend geflitzt. Auch Tchutchu (Cesar) war immer eine Vertrauensperson für mich und wir konnten über alles reden, unsere Herzen ausschütten und zusammen lachen. Mein ältester Gastbruder Niall (28 Jahre) war viel arbeiten und ich bekam ihn oft nur zum Abendessen zu sehen und ich bedauere es noch immer, dass ich die Geburt seiner Tochter ganz knapp verpasst habe.
Meine Familie war ein großer Bestandteil meiner Zeit in Mosambik, immer für mich da und eine große Stütze für mich. Ich weiß nicht, wie viel ich zurückgeben konnte, doch ich bezweifle, dass nur ich die gemeinsamen Momente genossen habe. Und ich habe Sicherheit, dass ich mich besser hätte integrieren können, um den Anfang zu erleichtern und auch meine vielen Freizeitaktivitäten und Reisen haben dazu beigetragen, dass ich letztendlich nicht überaus viel Zeit mit meiner Familie verbracht habe. Trotzdem kann ich sagen, dass wir zusammen durch Dick und Dünn gegangen sind.
Insgesamt war mein Auslandsjahr eine aufregende Achterbahnfahrt, die ihre Hochs und Tiefs hatte. Einiges hat mich überrascht und mein Leben auf den Kopf gestellt, doch mit einigen Dingen habe ich von Anfang an gerechnet. Z.B., dass der Anfang etwas schwer werden wird, dass ich keine Wunder im Projekt bewirken werde und, dass ich einen Prozess durchmachen werde in diesem Jahr. Ich habe mich nie verloren oder im Stich gelassen gefühlt. In Notsituationen waren AJUDE oder ICJA immer zur Hilfe zur Verfügung. Und den Rest…den habe ich auch so hinbekommen.
Hätte ich die Chance nochmal von vorne anzufangen – ich würde es tun. Nachher ist man ja immer schlauer! Mehr Engagement, mehr Mut, mehr Integration im sozialen Umfeld, das hätte mir nicht geschadet. Dennoch habe ich das Jahr genossen und blicke mit angeknackstem Herzen auf den Abschied am Flughafen zurück. Jede Achterbahn hat irgendwie ihr Ende. Aber die mosambikanische wird immer Teil von mir bleiben, auch wenn ich zweigleisig fahren muss.
KANIMAMBO MOCAMBIQUE
„Home, sweet Home“ oder besser: „hogar, querido hogar“. Kolumbien ist mittlerweile mein Zuhause. Überall begegne ich Menschen, die ich kenne und die mich grüßen, ob in meinem Wohnviertel oder an meinem Arbeitsplatz, der Universidad Nacional (UNAL). Dieses „Erkannt-zu-werden“ gibt einem ein unglaubliches Gefühl des Angekommenseins, des Dazugehörens. Hinzu kommt, dass ich mittlerweile einige Lieblingsorte habe: das gemütliche Café in der Nähe der Uni oder mein Lieblings-Arepa-Stand von dem netten Señor aus Boyacá bei mir in Suba-Bilbao. Das absolute Gefühl der Geborgenheit verdanke ich aber vor allem meiner Gastfamilie, die mich so unangestrengt in ihre Familie integriert hat und mich mittlerweile völlig selbstverständlich „hija“, „nena“ und „preciosa“ nennt.
In meinem Projekt habe ich mittlerweile auch meinen Platz gefunden. Ich organisiere und leite in diesem Semester zwei Konversationsclubs des ORIs: „Club de Alemán“ (Deutschclub) und „Club de Inglés“ (Englischclub). Die beiden Clubs richten sich an die kolumbianischen Studierenden der UNAL, die sich für einen Austausch interessieren. Dementsprechend geht es vor allem um Kultur, Traditionen, Stereotype, um die Vorbereitung auf einen Austausch und das Sprechen der Sprache. Beide Clubs waren in den ersten beiden Wochen extrem gut besucht (60-90 Teilnehmer*innen), was eine Herausforderung war. Diese Herausforderung lässt sich aber gut meistern und es motiviert mich immer wieder aufs Neue, wenn so viele Studierende Interesse und Spaß an meinen Clubs zeigen.
Ein Hindernis für meine Arbeit war allerdings die Suche nach Räumen. Ich habe fünf Jahre lang an einer deutschen Uni gearbeitet und kenne deshalb die groben universitären Organisationsstrukturen. An der UNAL läuft die Raumverteilung allerdings völlig chaotisch. Es gibt so viele verschiedene Menschen, die jeweils für die Raumverwaltung der unterschiedlichen Gebäude zuständig sind und diese herauszufinden ist auch nicht mal ebenso möglich. Also war ich in diesem Punkt sehr auf die Hilfe meiner Kolleg*innen angewiesen, da ich als Freiwillige im ORI auch nicht in der Position bin, einen Raum anzufragen. Das war eine mühselige Angelegenheit und für mich war es sehr ungewohnt solche Dinge nicht selber regeln zu können, sondern auf die Zuverlässigkeit anderer angewiesen zu sein.
Letztendlich haben sich Geduld und Hartnäckigkeit aber ausgezahlt und ich habe mit der Hilfe zweier Kolleginnen zwei tolle Räume für meine Clubs finden können.
Das Verhältnis zu meinen Kolleg*innen ist nach wie vor wunderbar. Letztes Wochenende habe ich mit einigen von ihnen bereits den zweiten Wochenendausflug gemacht und der nächste ist schon wieder in Planung. Ich habe zu einigen Kolleg*innen also ein freundschaftliches Verhältnis, zu den anderen ein herzliches und kollegiales. Auch wenn es mal Probleme gibt (wie mit den Räumen), kann ich mich immer an meine Kolleg*innen wenden und mich mit ihnen austauschen. Ich fühle mich voll und ganz als Teil des Teams.
Wie ich zu Beginn dieses Berichts schon gesagt habe, bin ich überglücklich mit meiner Gastsituation. Meine Gasteltern behandeln mich wie eine Tochter und ich genieße es mit ihnen zu quatschen und heiße Schokolade zu trinken. Ich kann mich an sie wenden, wenn mich etwas belastet, genauso wie wir viel zusammen lachen. Außerdem kann ich immer wieder Freund*innen zu mir nach Hause einladen, was mir noch mehr ein Gefühl des Zuhauseseins vermittelt.
Mein Freundeskreis besteht mittlerweile zum Großteil aus Kolumbianer*innen, auch wenn ich natürlich nach wie vor viele von den anderen Freiwilligen sowie einige der Austauschstudierenden dazu zählen kann. Daher zeigt sich auch, dass sich mein anfängliches Sprachproblem weitestgehend erledigt hat Mittlerweile führe ich tiefgründige und komplexe Konversationen auf Spanisch und das ist ganz selbstverständlich für mich geworden.
Dank der vielen Gespräche mit meinen kolumbianischen Freund*innen und der vielen Reisen, die ich schon machen konnte, hat sich die Wahrnehmung meines Gastlandes definitiv noch weiter verändert. Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass die Kolumbianer*innen sehr viel und sehr hart arbeiten (was mir vor meiner Zeit hier noch nicht zu Ohren gekommen ist). Die meisten von ihnen arbeiten ca. 10 Stunden am Tag sowie viele auch noch samstags arbeiten müssen. Die Menschen, die eigene Geschäfte besitzen arbeiten fast immer 7 Tage die Woche, 10-12 Stunden am Tag. Trotzdem höre ich nur sehr selten, dass sich ein*e Kolumbianer*in über ihre/seine Arbeit beschweren würde. Denn ohne Arbeit wäre das Leben ja eindeutig schlechter.
Kolumbianer*innen konzentrieren sich immer auf das, was sie haben und nicht (wie viele Deutsche) auf das, was sie nicht haben. Das Glas ist hier halb voll und nicht halb leer. Diese tiefe Zufriedenheit und dieser grundlegende Optimismus sind zwei kolumbianische Charakteristika, von denen ich mich gerne anstecken lasse und die dazu führen, dass ich immer wieder einen Ohrwurm habe und fröhlich vor mich hinträllere: „Don’t worry, be happy“
Nach einem halben Jahr begann ich für drei Tage die Woche in der Schule „ Jose Antonio Urquiza“ in einem kleinen Dorf außerhalb von Puebla zu arbeiten, die anderen zwei Tage besuchte ich weiterhin das „ Instituto Xochitl-Pilli“. In meiner neuen Schule warteten neue Aufgaben auf mich, ich war tagesweise bei den Kindergartenkindern, und den Schülern der ersten und zweiten Klasse. Im Kindergarten war ich häufig zuständig für die Kinder zwischen 3 und 4, während die Lehrerin mit den Kindern die bald in die Erste Klasse kommen arbeitete. Meistens gab sie mir gute Anweisungen im Bezug auf die Aufgaben der Kinder und ich wusste nach ein paar Tagen wie der Ablauf funktioniert und auf welche Sachen ich besonders achten muss. Mit der Kindergartenlehrerin verstand ich mich sehr gut und es herrschte ein angenehmes Arbeitsklima. Ich lernte die Kinder immer besser kenne und konnte nach und nach einschätzen, wie ihre Arbeitsweise ist und wie ich sie am besten unterstützen kann. Nach und nach erarbeitete ich mir ihren Respekt und wurden von ihnen dann auch als ihre Lehrerin anerkannt, was ein sehr schönes Gefühl war. Wenn Zeit zu spielen blieb, wurde die von allen Kindern auch sehr gerne genutzt und ich konnte auch mal mit ihnen einfach Spaß haben ohne darauf zu achten, dass sie alle ihre Aufgaben erledigten. In der ersten Klasse konnte ich die Lehrerin bei der Betreuung einzelner Kinder unterstützen. Ich arbeitete getrennt oder langsamer mit ihnen, während die Lehrerin den normalen Unterricht fortsetzten konnte. Ihr Vertrauen ich mich, zeigte sie mir häufig, manchmal übernahm ich alleine eine Unterrichtsstunde während sie die nächste Stunde vorbereitete. Manchmal war es eine echte Herausforderung, da die Kinder auf sehr verschiedenen Bildungsleveln sind und es mir manchmal schwer fiel alle unter eine Hut zu bringen. Und trotzdem, hat es Spaß gemacht sich dieser Herausforderung zu stellen und sie zu meistern. In der zweiten Klasse lief es meist ähnlich ab, ich konnte meiner Lehrerin in verschiedenen Arbeitsbereichen behilflich sein. Manchmal beim korrigieren, beim Unterricht vorbereiten, bei viele Bastelarbeiten und bei der Förderung einzelner Schüler. Mit all meinen Schülern konnte ich schnell eine Bindung aufbauen und hatte das Gefühl sie akzeptieren mich als Lehrerin. Gemeinsam mit den anderen Lehrern bereiteten wir Schulfester vor, probten Tänze und bastelten Dekoration. Ich fühlte mich in ihrem Team aufgenommen und integriert. Das Arbeitsverhältnis war sehr angenehm und ich konnte mich mit allen Fragen an sie wenden. Mir gegenüber wurde von Kindern, Lehrern und auch Eltern sehr viel Interesse gezeigt und ich wurde täglich sehr herzlich empfangen. Mir wurde das Gefühl vermittelt nützlich sein zu können und mir wurden viele Aufgaben anvertraut. An meinem letzten Tag wurden mir viele liebe Worte auf den Weg mitgegeben und genauso sehr viel Anerkennung geschenkt, was ein tolles Gefühl und eine Bestätigung für mich persönlich war.
Im Instituto Xochitl-Pilli hat sich für mich im zweiten Halbjahr wenig verändert. Ich war jetzt nur noch im Englischunterricht dabei und unterstütze weiterhin einzelne Schüler. Mit meiner Englischlehrerin verstand ich mich sehr gut, leider übergab sie mir auch nach wiederholter Nachfrage wenig zusätzliche Aufgaben, so dass ich mich, auch gerade im Vergleich zur anderen Schule, teilweise unterfordert fühlte. Auch auf verschiedene Vorschläge den Unterricht abwechslungsreicher zu gestalten, wurde leider nur selten eingegangen, was manchmal meinerseits ein bisschen Frustration auslöste. Dennoch hatte ich eine schöne Zeit, mit den Kindern verlief es weiterhin sehr gut und auch das Arbeitsverhältnis war insgesamt sehr angenehm, wenn auch weniger herzlich als in der Dorfschule.
In diesem Jahr habe ich schrittweise in meinem Projekt dazugelernt. Ich lernte teilweise wie es ist zu unterrichten, wie ich einzelne speziell fördern kann, wie wichtig es ist Lob zu verteilen und gewann mehr Selbstvertrauen. Außerdem machte ich natürlich Fortschritte in der Sprache und baute so gute Verhältnisse zu meinen Schülern auf.
In meiner Gastfamilie hätte ich eigentlich nur ein halbes Jahr bleiben können, da dann meine ältere Gastschwester von ihrem Auslandsaufenthalt zurück kam. Im ersten halben Jahr hatten wir allerdings eine sehr gute Bindung zueinander aufgebaut und ich denke es wäre mir sehr schwer gefallen nochmal in eine andere Familie zu wechseln und mir dort das gleiche aufzubauen. Zum Glück war meine Gastmutter da ähnlicher Meinung und ich musste nur mein Zimmer wechseln. Das zweite halbe Jahr teilte ich mir also das Zimmer mit meiner 12-jährigen Gastschwester. Nach kurzer Eingewöhnungszeit hatten wir uns damit arrangiert, nicht mehr ein Zimmer alleine zu haben. Meine Gastfamilie ist für mich in diesem Jahr meine zweite Familie geworden, ich fühlte mich von ihnen aufgenommen als weiteres Familienmitglied.
Auch in meinem sozialen Umfeld konnte ich im zweiten halben Jahr Freundschaften vertiefen und fühlte mich stets sehr wohl. Am Wochenende wurde weiterhin das Umland erkundet, sich mit Freunden getroffen oder Zeit mit der Familie gebracht. Ich habe mir in diesem Jahr meinen Alltag hier aufgebaut und der Abschied fällt daher auch sehr schwer, ich bin sehr dankbar für all die Erfahrungen die ich hier machen durfte, die mich bereichert haben und aus denen ich lernen konnte. Für all die schönen Momente, und auch die paar wenigen schlechten Tage aus denen ich genauso viel mitgenommen habe.
Lachend steige ich mit der Lehrerin in den Bus ein, die Musik ist aufgedreht, es geht zurück Richtung Puebla. Ein Arbeitstag geht wieder zu Ende, die Zeit fliegt. Auf der Fahrt richte ich den Blick auf den liebevoll genannten Vulkan „Popo“, während ich mich mit meiner Lehrerin unterhalte, mittlerweile sind wir gute Freundinnen geworden. Ich freue mich auf das leckerer Mittagessen, welches mich zuhause erwartet genauso wie auf den Tanzkurs am späteren Nachmittag. Ich freue mich meine letzten Wochen in Puebla genießen zu können und darüber dass ich hier ein zweites Zuhause gefunden habe.